Eskandar: Roman (German Edition)
spenden würde, ist Eskandar-Agha noch immer verärgert. Er wendet sich ab und kehrt seiner verehrten Roxana-Khanum den Rücken.
Nehmen Sie sich in Acht, ermahnt der Offizier sie, als er die Zelle aufschließt und sie entlässt. Dieses Mal haben Sie Glück gehabt. Wir entlassen Sie nur der Kinder wegen, ansonsten hätten wir Sie ins Zentralgefängnis bringen lassen, und da kommt keiner unbeschadet wieder heraus. Wir werden Sie beobachten, sagt der Offizier. Und Sie können mir glauben, unserem wachsamen Auge entgeht nichts.
Der schwarze Freitag
Wohin wollen Sie?, fragt der Droschkenführer, und noch während sie einer nach dem anderen einsteigen, sagt er, ich werde allerdings Umwege nehmen müssen, denn ich fahre nicht durch die Haupt straßen, das ist mir zu gefährlich.
Warum, was ist passiert?, fragt Eskandar-Agha, der sich mit seiner Sahra auf dem Schoß vorne neben den Droschkenführer setzt.
Doch statt ihm zu antworten, mustert der Kutscher Roxana lange und fragt, ist die Saifeh eine Farangi?
Nein, Agha, die Khanum ist meine Schwester, lügt Eskandar-Agha. Und sie ist mehr Iranerin als Sie und ich zusammen.
Ich selber habe nichts gegen Ausländer, aber die Leute in der Straße sind zurzeit nicht so gut auf sie zu sprechen.
Nun reden Sie, was ist denn passiert?
Haben Sie es nicht gehört?, fragt der Droschkenführer. Seine Majestät Mohammad-Resa-Pahlawi hat den Premier Mossadegh abgesetzt, seine Regierung aufgelöst und Zahedi zum neuen Premier bestimmt. Die Geheimdienste der Amrikai und Engelissi haben die Zeitungen gezwungen, das Dekret des Schah-an-Schah abzudrucken. Und nun weiß es jedermann im ganzen Land, und alles geht drunter und drüber.
Woher wollen Sie wissen, dass die Geheimdienste der Farangi ihre Finger im Spiel haben?, fragt der Student.
Das weiß doch jedes Kind, antwortet der Droschkenführer und sieht Eskandar-Agha von der Seite an. Wo kommen Sie denn her?
Aus dem Gewahrsam der Polizei, antwortet Eskandar-Agha seelenruhig.
Mit einem breiten Grinsen reicht der Droschkenführer Eskandar-Agha die Hand und sagt, schlag ein Bruder, dann bist du einer von uns.
Keine fünf Minuten nachdem sie die Kinder versorgt und sie bei der französischen Mademoiselle abgegeben hat, zieht Roxana-Khanum sich um und rennt zum Gärtnerhaus.
Kommen Sie, drängelt sie Eskandar-Agha, wir müssen los.
Los? Wohin los? Ich bin froh, dass ich zu Hause bin, und werde nirgendwohin gehen.
Bitte, Sie wollen mich doch nicht etwa allein hinaus in diese Hölle schicken?
Khanum, ich beschwöre Sie, haben Sie denn noch immer nicht genug? Sie haben es doch am eigenen Leib erlebt, es ist lebensgefährlich hinauszugehen.
Als wäre sie taub, schiebt Roxana Eskandar-Agha hinaus und sagt, vergessen Sie nicht Ihren Fotoapparat.
Wohin wollen Sie überhaupt?, fragt Eskandar-Agha, als wüsste er es nicht schon längst.
Statt zu antworten, sieht Roxana auf ihre Schuhe und schweigt.
Aber Sie haben ihn doch gerade erst gesehen.
Bitte.
Khanum, manchmal habe ich den Eindruck, Sie setzen Sich selber und zu allem Überfluss auch noch mich mit Absicht gefährlichen Situationen aus, sagt Eskandar-Agha, muss dabei aber grinsen.
Danke, sagt Roxana und drückt Eskandar-Agha einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, und für einen Moment fühlt es sich an wie früher, als sie ein kleines Mädchen gewesen ist.
Immerhin hat der Chauffeur ihr Auto inzwischen wieder abgeholt, und sie müssen nicht auf die Straße, um Droschken oder Taxen anzuhalten. Auf dem Weg zum Haus des Premiers hören sie im Autoradio, wie der Premier die Bevölkerung nun schließlich und endlich doch aufruft, nicht auf die Straßen zu gehen und in ihren Häusern zu bleiben. Mossadegh sagt, man hat mir keine Wahl gelassen, ich muss Polizei und Armee einsetzen, um die Unruhestifter und Aufwiegler unter Kontrolle zu bringen.
Khanum, wenn Sie schon nicht auf mich hören, dann hören Sie doch bitte wenigstens auf den verehrten Premier unseres Landes. Bitte, Khanum, lassen Sie uns umkehren.
Dankbar sieht der Chauffeur Eskandar-Agha an und setzt schon den Blinker, um wieder umzukehren.
Fahren Sie weiter, befiehlt Roxana.
Bei allem Respekt für den Premier, sagt der Student, als er Roxana und Eskandar-Agha in Empfang nimmt. Der verehrte Mossadegh macht einen Fehler. Ich bete zu Gott, seine Anhänger werden dieses Mal seiner Aufforderung nicht Folge leisten und nicht zu Hause bleiben. Das Einzige, was nunmehr auf den Straßen zu sehen und zu hören sein wird,
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