Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
Vom Netzwerk:
noch die Macht, den Willen des Volkes zu brechen und sein Volk ermorden zu lassen.
    Junge, was ist mit dem Tee?, fragt der Mullah.
    Los, erzähl schon, sagt die Akhund-Frau.
    In den Provinzen geht es drunter und drüber, berichtet Eskandar in einem Ton, als hätte er es mit eigenen Augen gesehen. Männer aus dem gesamten Land sind auf dem Weg in die Hauptstadt. Tausend und mehr Russen haben das Parlament umzingelt, sagt Eskandar mit bebender Stimme, und der Mullah-Frau stellen sich die Haare auf.
    Los, beeil dich, sagt sie, bring den Tee ins Zimmer, und komm gleich wieder heraus, um mir zu erzählen, worüber die Männer reden.

Eskandar bekommt ein Geschenk
     
    Vierzig Nächte und Tage vergehen, bis Tajelmoluk ihr Schweigen bricht und zum ersten Mal, seit sie Roxana geboren hat, wieder sprechen will, und zwar nur mit Eskandar, weshalb er sich in gewisser Weise wichtig vorkommt. Mit Roxana auf dem Schoß hockt er neben Tajelmoluk auf dem Boden und versucht, ihre traurigen Augen nicht zu sehen.
    Meine Mutter will nicht, dass ich dir die Wahrheit über das Kind erzähle, sagt Tajelmoluk. Sie fürchtet, du wirst dich dann nicht mehr um sie kümmern, und sie selbst wird das Kind am Hals haben. Aber ich finde, du musst wissen, auf was du dich einlässt, schließlich fließt in ihren Adern nicht das gleiche Blut wie deins, und es ist nicht deine Schuld, dass das arme Bastardkind in dieser Welt ist.
    Eskandar will fragen, was Bastard bedeutet, er will sagen, dass er selber auch einer ist und dass er froh ist, dass Roxana in dieser Welt ist, aber er traut sich nicht.
    Als meine Mutter und ich nicht mehr wussten, wovon wir uns ernähren sollten und der Arbab, der Besitzer unseres Zimmers, der große Khan, uns auf die Straße setzen wollte, hat meine Mutter gesagt, er soll statt der Miete sie zur Frau nehmen. Aber der Besitzer wollte nicht meine Mutter, sondern mich, sagt Tajelmoluk. Ich habe geweint und gebettelt, aber er hat mich trotzdem mitgenommen. Auf dem Weg zu seinem Haus hat die Karawane bei den Farangi haltgemacht, und der Khan hat gesagt, es gibt einen Weg, wie ich wieder nach Hause zu meiner Mutter kann, nämlich wenn ich es schaffe, diesen Farangi-Mesterr zu verführen.
    Eskandar weiß nicht, wovon Tajelmoluk redet, aber er weiß, ein Mucks von ihm, und sie wird aufhören zu sprechen.
    Irgendwann ist mein Blut gekommen, sagt Tajelmoluk. Da hat meine Mutter gesagt, jetzt bist du eine Frau. Dann ist mein Bauch dick geworden, und meine Mutter hat gesagt, jetzt ist ein Kind in deinem Bauch. Ich hatte Angst, ich wollte nicht, dass ein anderer Mensch in meinem Bauch ist, und ich wusste nicht, wie er da hineingekommen ist, und auch nicht, wie ich ihn wieder herausbekommen könnte, sagt Tajelmoluk, wendet sich ab und spricht nicht mehr.
    Eskandar hockt da, wartet und wartet, bis ihm zuerst das eine, dann das andere Bein einschläft. Draußen ist es bereits dunkel, Roxana wird unruhig, da nimmt Eskandar seinen ganzen Mut zusammen und sagt, ich will Roxana behalten.
    Ist mir egal, sagt Tajelmoluk. Du kannst sie haben. Ich schenk sie dir. Mach mit ihr, was du willst.

Eskandar wird Geschichtenerzähler
     
    Der Junge kann von großem Nutzen für uns sein, sagt der Akhund. Wir sollten ihn nach Esfahan mitnehmen. Ich werde die Verse aus dem Koran über den heiligen Krieg so lange mit ihm üben, bis er sie auswendig rezitieren kann. Mit seiner jugendlichen Unschuld und seiner Stimme, die einer Nachtigall gleicht, wird er jeden Zweifler davon abhalten zu desertieren.
    Ich will Roxana mitnehmen, jammert Eskandar. Aber er kann so viel betteln, wie er will, er muss sie bei der Akhund-Frau zurücklassen.
    Mehr als tausend Mann, Hodjat, der Mullah, Reiter und Führer verschiedener Stämme, zwangsweise rekrutierte Leibeigene, Bedienstete, Freiwillige zu Pferd, mit dem Esel, dem Maultier und sogar zu Fuß bewegen sich im riesigen Tross, und mittendrin hockt Eskandar auf dem Rücken eines alten Esels und lernt den ganzen Tag Verse des Koran. Abends, wenn er im Lager, das so groß ist, dass er das Ende nicht sehen kann, ankommt, geht er von Feuerstelle zu Feuerstelle und trägt vor, was der Mullah ihm tagsüber eingebläut hat.
    Doch schon nach Kurzem stellt sich heraus, die Rechnung des Mullah geht nicht auf. Die Männer interessieren sich nicht im Geringsten für die unverständlichen arabischen Verse, die der Junge aufsagt. Und sie finden, mit dem Gezwitscher einer Nachtigall hat sein Geschrei auch nichts zu tun.
    Aber ich muss so

Weitere Kostenlose Bücher