Eskandar: Roman (German Edition)
eine verbotene Grenze überschritten. Doch was immer sie getan hat, beide sind ihr dankbar, denn sie hat die Freundschaft zwischen ihnen und die Ehre ihres Mannes gerettet.
Die Khanum hat recht, sagt Hodjat-Agha, ein stattlicher und prächtiger Mann ist in dir verborgen gewesen. Du hast ihm die Freiheit geschenkt und ihn ans Licht gelassen. Wie du das angestellt hast, weiß ich nicht, aber es erfüllt mich mit Stolz, dich meinen Meisterschüler nennen zu dürfen.
Der gnädige Gott hat mich zu Ihnen geführt, sagt Eskandar.
Hodjat-Agha schließt ihn in die Arme, wie er es immer getan hat. Auch mir bist du nah wie ein Sohn, sagt er, komm herein, die Khanum hat dein Leibgericht gekocht, Reis mit Linsen, und ich habe, um dir eine besondere Freude zu machen, sogar ein Stück richtiges Lammfleisch und frische Tomaten gekauft und auf Kohle gegrillt. Hodjat-Agha prüft Eskandars Armmuskeln. Großer Gott, sagt er, wohin ist nur die Zeit verschwunden? Gestern bist du noch ein Junge gewesen.
Und Eskandar seinerseits betrachtet den Reiter und denkt, und du, mein geliebter Meister, bist über Nacht zu einem alten Mann geworden, einem, den ich vermutlich schon jetzt im Ring besiegen könnte.
Wir sollten über deine Zukunft sprechen, sagt Hodjat-Agha. Du bist ein kluger und treuer Diener, ein flinker und athletischer Kämpfer, und machst dich gut im Ring. Die älteren Kämpfer im Sur-Khaneh schätzen dich. Es ist an der Zeit, dich in die Obhut eines anderen Pahlewan zu geben.
Verehrter Meister, was immer Sie für richtig halten, sagt Eskandar. Aber mit Verlaub, ich will zu keinem anderen und nirgendwo anders hin. Mir geht es gut, wo ich bin. Hier, bei Ihnen beiden und in der Nähe meiner Roxana bin ich zufrieden und glücklich. Und wenn ich im Sur-Khaneh meine Kraftübungen mache, dann will ich nicht mehr und nicht weniger von Gott, als dass Sie, verehrter Meister, mich leiten und führen. Das ist alles, was ich vom Leben wünsche.
Sprich nicht so, sagt Frau-Zarrin. Natürlich willst du mehr vom Leben. Du bist längst in einem Alter, in dem du eine Familie haben solltest. Kein junger Mann sollte allein bleiben. Das ist nicht gut für dich, du wirst darunter leiden, und die Leute werden dich meiden. Sie sehen einen jungen Mann ohne Frau als Bedrohung für ihr Namus, ihre Ehre, an. Agha-Hodjats Frau gerät so sehr in Fahrt, dass sie weder ein Auge für die mahnenden Blicke ihres Mannes hat noch für die Scham von Eskandar. Das nächste Mal, wenn ich ins Badehaus gehe, werde ich Ausschau nach einem geeigneten Mädchen für dich halten. Ich werde Süßspeisen zubereiten und unseren Hodjat-Agha zum Vater des Mädchens schicken, um für dich um ihre Hand anzuhalten. Und dann wird es, so Gott will, auch nicht mehr lange dauern, bis du Söhne bekommst, eine eigene Familie und ein eigenes Leben hast. Zarrin-Khanum lächelt glücklich und merkt erst jetzt, dass sie dieses Mal zu weit gegangen ist.
Es ist nur eine kleine Geste, ein kurzer Blick, mit dem Hodjat-Agha ihr bedeutet, das Kopftuch zurechtzuziehen und zu schweigen.
Wenn Eskandar seinen Meister und seine Frau besucht, lachen sie, stellen Fragen, geben Antworten; jetzt essen sie schweigend. Und mit jedem Bissen, den er hinunterschluckt, entfernt Eskandar sich mehr von der Geborgenheit, die dieser Raum und diese Menschen ihm in all den Jahren geboten haben. Und er erinnert sich, was er als kleiner Junge gelernt hat.
Wer keine Wahl hat, muss nehmen, was Gott und das Leben ihm bieten, hat seine Mutter gesagt.
Eskandar dankt Frau-Zarrin und Hodjat-Agha für die Mahlzeit und die Gastfreundschaft, trinkt mit gesenktem Haupt und schweigend seinen Tee und verabschiedet sich.
Im Garten von Mahrokh-Khanum ist es dunkel und still, nicht wie sonst, wenn Fackeln, Laternen, Duftkerzen brennen, wenn Kanees und Dienerinnen auf der Tar, der Laute, spielen. Es ist nur das Singen der Nachtigallen auf den Bäumen und in den Käfigen und das leise Plätschern des Wassers im Djub zu hören. Und es erscheint auch kein Eunuch, kein Gholam, um das Tor zum Garten und die Tür zum Haus zu öffnen.
Gerade als der Mut ihn verlässt, er sogar ein wenig erleichtert ist, weil er sich in kein unbedachtes Abenteuer stürzen muss, gerade als er wieder umkehren will, tritt seine Herrin hinter den wehenden Vorhängen ihres Schlafgemachs hinaus auf die Veranda. Mit einer Kerze in der Hand steht sie schweigend da und sieht ihn an. Dann dreht sie sich um, geht hinein und flüstert, komm, ich habe dich
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