Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
Bad vorzubereiten bedeutete eine umständliche, fast zeremonielle Prozedur. Dafür mußte zuerst Wasser mit Lavendel, ihrem bevorzugten Badezusatz, aufgekocht werden. Dann passierte man den Sud durch ein sauberes Tuch in große Kübel heißen Wassers und gab einige Tropfen Branntwein hinein. Zum Schluß war dieses heiße Wasser Eimer für Eimer in die »dunkle Kammer« zu schleppen, einen winzigen Raum, der am anderen Ende des Hauses neben der Küche lag. Diese Kammer ließ, wie ihr Name schon besagt, keinen einzigen Sonnenstrahl ein, da sie fensterlos war. Nur eine enge Tür führte hinein. Im Inneren, genau in der Mitte, stand eine riesige Wanne, in die das Wasser gegossen wurde. Daneben mußte ein Zinnkrug mit Xi-Xi aus zerdrückten Agavenblättern für Mama Elenas Haarwäsche bereitstehen.
Da Tita Mama Elena bis zu ihrem Lebensende zu pflegen hatte, durfte sie als einzige diesem Ritual beiwohnen, wo sie ihre Mutter unbekleidet zu Gesicht bekam. Niemand sonst. Eben aus diesem Grunde war jener vor unbefugten Blicken sichere Raum eingerichtet worden. Tita mußte ihrer Mutter zuerst den Körper abwaschen, daraufhin erfolgte die Haarwäsche, und zum Schluß ließ Tita sie eine Weile in Ruhe das Bad genießen, während sie die Kleidung bügelte, die Mama Elena wieder anziehen würde, wenn sie aus der Wanne stieg.
Sobald ihre Mutter rief, half Tita ihr beim Abtrocknen und dann so schnell wie möglich in die angewärmten Kleider, damit Mama Elena sich keine Erkältung zuzog. Wenn sie damit fertig waren, öffnete Tita die Tür gerade einen Spalt weit, damit der Raum etwas abkühlte und ihre Mutter nur ja nicht zu plötzlich der hereinströmenden Kälte ausgesetzt würde. Derweil kämmte Tita ihr das Haar beim spärlichen durch den Türspalt fallenden Lichtstrahl, der aus den bizarren Spiralen des aufsteigenden Wasserdampfes eine unwirkliche Zauberwelt erstehen ließ. Sie kämmte ihr das Haar, bis es vollends trocken war, flocht es zu einem Zopf und beendete damit schließlich die Liturgie. Tita dankte Gott stets aufs neue, daß ihre Mutter sich nur einmal die Woche badete, sonst wäre ihr Leben ein wahrhafter Leidensweg gewesen.
In Mama Elenas Augen war es mit dem Bad nicht anders als mit dem Essen: So sehr sich Tita auch abmühte, immer unterliefen ihr zahlreiche Fehler. Entweder wies das Hemd eine winzige Falte auf, oder das Wasser war nicht heiß genug, oder sie zog beim Flechten den Scheitel schief; so schien es, als bestünde Mama Elenas herausragendes Talent darin, Fehler aufzuspüren. Doch nie zuvor hatte sie so viel zu bemängeln gehabt wie an diesem Tag. In der Tat war Tita bei jedem einzelnen Handgriff während der Vorbereitungszeremonie nachlässig gewesen. Das Wasser war so heiß, daß Mama Elena sich beim Einsteigen die Füße verbrühte, Tita hatte das Xi-Xi für die Haarwäsche vergessen, den Unterrock und das Hemd mit dem Bügeleisen versengt und am Ende die Tür zu weit geöffnet, so daß sie es schließlich nicht anders verdient hatte, als daß Mama Elena sie gehörig ausschalt und glatt aus der Badekammer warf.
Während Tita mit der Schmutzwäsche unter dem Arm im Laufschritt zur Küche eilte, klagte und jammerte sie über die Schelte und die groben Patzer, die sie sich geleistet hatte. Was ihr am meisten zu schaffen machte, war die unnötige Arbeit mit der versengten Wäsche. Erst zum zweiten Mal in ihrem Leben widerfuhr ihr ein derartiges Mißgeschick. Nun mußte sie die rostrot verfärbten Stellen in einer Lösung aus Kaliumchlorid in destilliertem Wasser mit einer verdünnten Lauge einweichen, sie dann immer wieder kräftig ausreiben, bis die Flecken verschwanden, und dies zusätzlich zu der ohnehin schon mühseligen Reinigung der schwarzen Kleidungsstücke, die ihre Mutter zu tragen pflegte. Für diese Arbeit mußte sie Rindergalle in einer geringen Menge kochenden Wassers auflösen, einen weichen Schwamm darin eintauchen, die ganze Wäsche damit anfeuchten, sie dann sofort mit klarem Wasser wieder ausspülen und schließlich an der frischen Luft trocknen lassen.
Tita schrubbte und schrubbte die Wäschestücke, wie sie es so viele Male mit Robertos Windeln getan hatte, um den Schmutz herauszureiben. Dazu mußte sie etwas Urin zum Kochen bringen, die Stelle einen Moment lang hineintauchen und dann mit klarem Wasser auswaschen. So einfach verschwand der Schmutz normalerweise. Doch dieses Mal wollte es ihr einfach nicht gelingen, so oft sie die Windeln auch in Urin einweichte, diese schreckliche
Weitere Kostenlose Bücher