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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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schwarze Farbe herauszureiben. Mit einem Mal merkte sie, daß sie gar nicht Robertos Windeln bearbeitete, sondern die Wäsche ihrer Mutter. Die ganze Zeit schon war sie dabei, sie ins Nachtgeschirr zu tauchen, das sie am Morgen neben dem Abwaschbecken vergessen und noch nicht ausgespült hatte. Enttäuscht ging sie daran, ihren Irrtum zu korrigieren.
    Als sie endlich wieder ihre Arbeit in der Küche aufnahm, faßte sie den festen Vorsatz, in Zukunft mehr darauf achtzugeben, was sie tat. Wenn sie nicht sofort die Erinnerungen verscheuchte, die sie von Mal zu Mal stärker aufwühlten, würde jeden Moment Mama Elenas ganzer Zorn über sie hereinbrechen.
    Seit Beginn der Vorbereitungen für Mama Elenas Bad hatte die Chorizofüllung geruht, so daß inzwischen wohl genug Zeit vergangen war, um sie jetzt in die Därme zu stopfen.
    Die Därme sollten vom Rind, makellos und gründlich ausgespült sein. Zum Füllen benötigt man einen Trichter. Jeweils im Abstand von vier Fingern Breite werden sie fest abgebunden und mit einer Nadel angestochen, damit die Luft entweichen kann, denn diese könnte später den Chorizo verderben. Sehr wichtig ist es, den Darm gut auszustopfen, damit keine Luftblasen entstehen.
    So sehr Tita sich auch bemühte, ihre Erinnerungen abzuschütteln, um nicht noch mehr Fehler zu begehen, konnte sie doch nicht umhin, während sie ein großes Stück Chorizo in der Hand hielt, an jene Sommernacht zu denken, als sich alle draußen auf den Patio schlafen gelegt hatten. Zur Zeit der Hundstage, wenn die Hitze sich bis zur Unerträglichkeit steigert, wurden im Patio bequeme Hängematten befestigt. Auf einem Tisch stand ein Behälter voll Eis, in dem eine aufgeteilte Wassermelone bereitlag, für den Fall daß jemand von der Hitze geplagt, mitten in der Nacht aufstehen würde und ihn danach verlangte, sich mit einer Melonenscheibe zu erfrischen. Mama Elena war eine Expertin im Zerteilen von Melonen: Sie nahm ein scharf geschliffenes Messer, stieß die Spitze gerade soweit in die Frucht, daß sie nicht über den grünen Teil der Schale hinausging, also das Fruchtfleisch nicht einmal streifte.
    Mit mathematischer Präzision ritzte sie alsdann die Schale an verschiedenen Stellen ein und konnte, wenn sie soweit war, die Melone in die Hand nehmen und mit einem gezielten Schlag auf einen Stein so aufspringen lassen, daß sich die Schale auf wundersame Weise blütenförmig öffnete und schließlich das Fruchtfleisch unversehrt mitten auf dem Tisch prangte. Unbestreitbar war Mama Elena eine Meisterin, wenn es um Dinge ging wie etwas zerstückeln, abschälen, abstrafen, abtrennen, abstillen, abschieben, enthäuten, enttäuschen, entwöhnen, entleiben, entmündigen, entlieben. Nach Mama Elenas Tod gab es niemanden mehr, der solche Wunder hätte vollbringen können (was die Wassermelone betraf).
    Tita hatte von ihrer Hängematte aus gehört, wie sich jemand erhob, um ein Stück Melone zu essen. Sie war aufgewacht, weil sie auf die Toilette gehen mußte. Den ganzen Tag über hatte sie leichtes Bier in sich hineingeschüttet, nicht um die Hitze zu lindern, sondern um genug Milch für ihren Neffen zu produzieren.
    Der hatte friedlich bei ihrer Schwester geschlafen. Tita hatte sich erhoben und sich im Dunkeln vorwärtsgetastet, denn die Nacht war so pechschwarz gewesen, daß man die Hand nicht vor Augen sah. Auf dem Weg ins Bad hatte sie sich vorsorglich die Positionen der Hängematten eingeprägt, um später niemanden anzustoßen.
    Pedro hatte derweil aufrecht in seiner Hängematte gesessen, in die Melone gebissen und an Tita gedacht. Ihre Nähe hatte ihn heftig erregt. Bei dem Gedanken, sie nur ein paar Schritte von sich ... und von Mama Elena entfernt zu wissen, hatte er keinen Schlaf finden können. Als er das Geräusch sich nähernder Schritte in der Finsternis hörte, war ihm einen Moment lang der Atem gestockt. Das konnte niemand anderes als Tita sein, jenen ganz spezifischen Duft, der nun in der Luft schwebte, etwas von Jasmin und etwas von Küchendünsten, verströmte nur sie. Einen Augenblick lang hatte er gedacht, Tita habe sich erhoben, um nach ihm zu suchen. Das Geräusch der näherkommenden Schritte war mit dem rasenden Pochen seines Herzens verschmolzen. Doch nein, dann hatten sich die Schritte wieder in Richtung Bad entfernt. Da war Pedro lautlos wie eine Katze aufgesprungen und mit einem Satz bei ihr gewesen.
    Tita war heftig erschrocken, als sie spürte, wie jemand sie umschlang und ihr den Mund zuhielt, doch

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