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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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war.
    »Guten Abend, gnädige Frau, sind Sie die Herrin dieser Farm?«
    »So ist es. Was führt Sie zu uns?«
    »Wir sind gekommen, um Sie höflichst aufzufordern, der allgemeinen Sache zu dienen.«
    »Und ich teile Ihnen höflichst mit, Sie mögen sich von den Lebensmitteln, die Sie im Getreideschuppen und in den Gehegen finden, nach Belieben bedienen. Aber das eine sage ich Ihnen, in meinem Haus rühren Sie nichts an, verstanden? Was sich dort befindet, dient meinem persönlichen Bedarf.«
    Der Hauptmann salutierte zum Spaß und erwiderte: »Sehr wohl, mein General!«
    Die Soldaten fanden diesen Witz ungemein komisch und wollten sich darüber halb totlachen; der Hauptmann hingegen hatte sofort erkannt, daß mit Mama Elena nicht gut Kirschenessen war und daß sie es bitterernst meinte.
    Um freilich klarzustellen, daß er sich von ihrem gebieterisch strengen Blick nicht einschüchtern ließ, befahl er, die Farm zu durchsuchen. Was sie fanden, war nicht eben viel, nur ein bißchen Mais zum Aushülsen und acht Hühner. Einer der Sergeanten trat daraufhin zum Hauptmann und meinte:
    »Die Alte da muß alles im Haus versteckt haben, lassen Sie mich reingehen, um nachzusehen!«
    Da holte Mama Elena auf einmal die Flinte hervor und warnte:
    »Ich scherze nicht, wenn ich sage, daß keiner mein Haus betritt!«
    Mit einem breiten Grinsen machte sich nun der Sergeant, der ein paar Hühner gepackt hatte und sie in der Hand hin und her schwenkte, auf den Weg zur Eingangstür. Doch in dem Moment setzte Mama Elena die Flinte an, wobei sie sich gegen die Wand abstützte, um beim Schießen nicht vom Rückstoß nach hinten geschleudert zu werden, legte den Finger an den Hahn und gab einen gezielten Schuß auf die Hühner ab. In alle Himmelsrichtungen zerstoben die Fleischfetzen, und ein penetranter Gestank nach versengten Federn breitete sich aus.
    Am ganzen Leibe zitternd zogen schließlich auch Rosalío und Guadalupe ihre Pistolen, in der Gewißheit, daß ihre letzte Stunde geschlagen hatte. Der Soldat an der Seite des Hauptmanns setzte an und zielte auf Mama Elena, doch der Hauptmann winkte ab. Alle warteten auf seinen Befehl zum Angriff.
    »Ich bin verdammt treffsicher und von aufbrausendem Charakter. Der nächste Schuß gilt Ihnen, und Sie können Gift darauf nehmen, daß ich Sie erschießen werde, bevor mich eine Kugel trifft, wir täten also gut daran, uns gegenseitig zu verschonen, denn wenn wir sterben, werde ich zwar niemandem fehlen, doch was Sie betrifft, bin ich davon überzeugt, daß Ihr Verlust für die Nation äußerst schmerzlich sein wird. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?« hörte man da Mama Elena sagen.
    Tatsächlich war es sehr schwer, Mama Elenas Blick standzuhalten, selbst für einen Hauptmann. Etwas schrecklich Einschüchterndes lag darin. Den, dem er galt, lehrte er das Fürchten: Man sah sich eines Vergehens angeklagt und schuldig gesprochen. Dieser Blick weckte die kindliche Angst vor der mütterlichen Autorität.
    »Ja, da muß ich Ihnen zustimmen. Doch seien Sie unbesorgt, niemand wird Ihnen ein Haar krümmen oder es Ihnen gegenüber auch nur an nötigem Respekt fehlen lassen, das wäre ja noch schöner! Einer so wackeren Frau gilt meine ganze Hochachtung.« Dann wandte er sich zu seinen Soldaten um und sagte:
    »Niemand betritt dieses Haus, wir wollen mal nachsehen, ob hier noch etwas zu finden ist, dann ziehen wir ab.«
    Was sie noch entdeckten, war der Taubenschlag, der den ganzen Raum unter beiden Dachschrägen des riesigen Hauses einnahm. Um dorthin zu gelangen, mußte man eine sieben Meter hohe Leiter erklimmen. Drei Rebellen wagten den Aufstieg; oben angelangt, zauderten sie eine ganze Weile, bevor sie sich endlich hineintrauten. Der riesige dunkle Innenraum und das Gurren der Tauben, die pausenlos durch winzige Fensterspalte an den Seitenwänden ein und aus flogen, verschlugen ihnen erst einmal die Sprache. Um zu verhindern, daß die Tauben entkamen, schlössen sie dann das Eingangstürchen und die Fensterlöcher und machten sich auf die Jagd nach den Tauben nebst ihren Jungen.
    Sie brachten eine derartige Menge zusammen, daß ihr gesamtes Bataillon eine volle Woche davon satt werden konnte. Bevor sie sich zurückzogen, ritt der Hauptmann noch den ganzen Hinterhof ab und sog dabei den unauflöslichen, immer noch dort schwebenden Rosenduft ein. Er schloß die Augen und rührte sich eine Weile nicht von der Stelle. Als er schließlich wieder zu Mama Elena trat, wollte er wissen:
    »Ich habe

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