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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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allem Unglück auch noch eine Frau! Was nach der Familientradition bedeutete, daß sie dazu bestimmt war, ihre Mutter bis an das Ende ihrer Tage zu pflegen. Womöglich hatte Esperanza im Leib ihrer Mutter Wurzeln geschlagen, weil sie von vorneherein wußte, was sie auf dieser Welt erwartete. Tita betete zu Gott, Rosaura möge sich bloß nicht mit dem Gedanken tragen, diese grausame Tradition fortzuführen.
    Um in diesem Sinne zu wirken, wollte sie solche Ideen nicht noch mit dem Namen fördern und drängte daher unermüdlich, bis sie endlich erreichte, daß sich der Name Esperanza durchsetzte.
    Gleichwohl sprach eine Reihe von Umständen dafür, daß der Kleinen so oder so ein ähnliches Schicksal beschieden sein sollte wie Tita; zum Beispiel verbrachte sie notgedrungen einen Großteil des Tages in der Küche, denn ihre Mutter war außerstande, sie zu versorgen, und ihre Tante konnte sich nur dort um sie kümmern, so daß sie mit Tee und Maisbrei zu aller Freude inmitten der herrlichen Düfte und Köstlichkeiten dieses behaglichen Paradieses aufs prächtigste gedieh.
    Rosaura wollte diese Lösung freilich ganz und gar nicht gefallen, bekam sie doch den Eindruck, Tita halte ihr das Kind zu lange fern. Daher verlangte sie, sobald sie sich von der Operation ganz erholt hatte, Esperanza möge umgehend nach den Mahlzeiten auf ihr Zimmer gebracht werden, damit sie ganz in der Nähe ihres Betts einschlafe, wie es sich gehörte. Diese Regelung wurde freilich zu spät getroffen, denn inzwischen war der Kleinen bereits die Umgebung in der Küche zu vertraut, als daß sie sich einfach umquartieren ließe. Tatsächlich fing sie auf der Stelle fürchterlich an zu weinen, als sie merkte, daß sie vom Herd entfernt wurde, so daß Tita schließlich nichts anderes übrig blieb, als den Topf, in dem sie gerade das Essen kochte, bis in das Schlafgemach hinaufzutragen und so das Kind zu täuschen, das erst beim Geruch und in unmittelbarer Nähe des warmen Kochtopfs friedlich in Schlaf fiel. Dann endlich konnte Tita den riesigen Topf wieder in die Küche hinunterschleppen, um das Essen fertigzumachen.
    Gerade heute war ihre kleine Nichte vielleicht auch deshalb außer Rand und Band geraten, weil sie spürte, daß ihre Tante heiraten und die Farm verlassen wollte, sehr zu ihrem Nachteil. Daher hatte sie den ganzen Tag über nicht aufgehört zu weinen. Tita schleppte also ununterbrochen heiße Kochtöpfe treppauf, treppab. Bis schließlich kam, was kommen mußte: Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht. Als sie zum achten Mal wieder hinabstieg, stolperte sie, und der Topf mit der ganzen Sauce für den Champandongo polterte die Stufen hinunter. Damit waren vier Stunden erschöpfender Arbeit mit Hacken und Zermahlen der Zutaten zum Teufel.
    Verzweifelt sank Tita auf die Stufen nieder und stützte den Kopf in die Hände, um erst einmal tief durchzuatmen. Sie war schon um fünf Uhr in der Frühe aufgestanden, um sich nicht so abhetzen zu müssen, doch alles war umsonst gewesen. Nun mußte sie von neuem mit der Sauce beginnen.
    Pedro hätte wirklich keinen ungünstigeren Moment wählen können, um mit Tita zu reden. Auf jeden Fall nutzte er die Gelegenheit, als er sie auf den Stufen antraf, wo sie scheinbar einen Moment verschnaufte, und trat näher, um ihr klarzumachen, daß sie John nicht heiraten dürfe.
    »Tita, ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich Ihre Absicht, John zu heiraten, für einen bedauernswerten Irrtum halte. Noch ist es Zeit, ihn zu revidieren, ich bitte Sie, gehen Sie diese Ehe nicht ein!«
    »Pedro, Sie sind wohl der letzte, der mir zu sagen hätte, was ich tun oder lassen sollte, oder? Als Sie heirateten, habe ich Sie nicht gebeten, es nicht zu tun, obwohl diese Heirat mein Leben zerstört hat. Sie haben Ihr Leben eingerichtet, und jetzt lassen Sie mich meines in Frieden regeln!«
    »Aber eben wegen dieser Entscheidung, die ich getroffen habe und die ich inzwischen zutiefst bereue, bitte ich Sie, alles noch einmal zu überdenken. Sie wissen sehr gut, aus welchem Grund ich mich auf die Verbindung mit Ihrer Schwester eingelassen habe, doch es war ein unsinniger Schritt, der auf der ganzen Linie gescheitert ist, und inzwischen bin ich überzeugt, das Vernünftigste wäre gewesen, gemeinsam mit Ihnen zu fliehen.«
    »Nun, das fällt Ihnen wohl ein wenig spät ein. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Im übrigen möchte ich Sie bitten, mich nie mehr in meinem Leben zu belästigen, und wagen Sie es ja nicht, jemals zu

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