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Essen kann jeder

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Titel: Essen kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Weber
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Sie sicher sein, dass Sie sich für das richtige Fair-Trade-Siegel entscheiden. Sehr gute Noten hat die Stiftung Ökotest zum Beispiel an die Label Fairtrade, GEPA, El Puente, BanaFair oder dwp vergeben. Und das Zeug können Sie von mir aus auch im Discounter kaufen, warum nicht? Schließlich ist es für einen Notleidenden egal, ob die Spende in der Kirche oder im Puff gemacht wird.

11 DIE VERSUCHUNG DES FLEISCHES

Die Fleischtheke. Eingeschweißtes Fleisch in Styroporschalen zieht an uns vorbei. Geht dann fließend in eingeschweißten Käse in Styroporschalen über und endet bei einem Regal mit Produkten, die noch trostloser wirken.
    »Schau dir das an, Sanne: Veggie-Bolognese, Veggie-Wienerle, Veggie-Gulasch, Veggie-Gyros, Veggie-Burger, Veggie-Bifi …«
    »Warum nicht gleich Veggie-Schlachtplatte?«
    »Ich verstehe auch nicht, warum vegetarische Produkte immer Fleisch imitieren müssen. Man konvertiert doch auch nicht zum jüdischen Glauben und nennt dann sein Kind Adolf.«
    »Die denken wahrscheinlich, wenn unsere armen Kunden schon kein Fleisch essen dürfen, dann soll das Zeug wenigstens aussehen wie ein ordentliches Schnitzel.«
    »Und alles auf Tofubasis, hier guck: 2 8 % Tofu, 2 3 % Tofu, 4 0 % Tofu …«
    »Am schlimmsten finde ich diese Brotaufstriche: Beim ersten Bissen denke ich noch, na ja, kann man essen. Beim zweiten Bissen weiß ich schon …«
    » …dass ich mich beim dritten übergeben muss.«
    Unser Fleischkonsum in Zahlen
    Tofu hin oder her, der Vegetarier hat recht! Der weltweite Fleisch konsum hat beängstigende Ausmaße angenommen. Die Fleischproduktion ist mittlerweile ein ernstes Problem für unseren Planeten. Führen Sie sich mal folgende Zahlen zu Gemüte. Ungefähr 300 Millionen Tonnen Fleisch werden jährlich pro duziert. Zum Vergleich: In den Fünfzigerjahren waren es noch circa 40 Millionen Tonnen. Allein in Deutschland werden jährlich vier Millionen Rinder und 56 Millionen Schweine geschlachtet. Alle zehn Sekunden wird eine Sau betäubt und abgestochen. Rein statistisch gesehen, vertilgt jeder Deutsche in seinem Leben 1094 Tiere; darunter vier Kühe, 12 Gänse, 37 Enten, 46 Schweine und 964 Hühner. Wenn Noah Deutscher gewesen wäre, hätte keines seiner Viecher die vierzig Tage Sintflut überlebt.
    Täglich werden in den Kühlregalen deutscher Supermärkte tonnenschwere Berge von Billigkadavern aufgebahrt und verschachert. Mit Fleisch hat das Feilgebotene meist nur noch wenig zu tun. Die rosafarbene Masse ähnelt eher einem in Antibiotika getränkten Waschlappen, der so mit weiblichen Hormonen vollgepumpt wurde, dass selbst uns Männern nach dem Verzehr die Milch einschießt. Erinnern Sie sich: Richtiges Fleisch ist fest und rot und wild duftend und archaisch. Dieses Discounterzeug ist wässrig, wabbelig, grau und geruchlos. Wenn man es anbraten will, entstehen Dampfwolken, als versuche man, eine Scheibe Wassermelone zu frittieren. Die kümmerlichen Reste, die in der Pfanne übrig bleiben, gleichen Schuhsohlen – nicht nur in der Konsistenz, sondern auch im Geschmack.
    Es wird mit kaum einem Nahrungsmittel so viel Schindluder getrieben wie mit Fleisch. In Trüffelleberpastete sind keine Trüffel, geschweige denn Leber. Beim Kochschinken werden Fleischstücke mit Eiweißkleber zusammengeleimt. Formfleisch! Oder wissen Sie, wie Chicken Nuggets hergestellt werden? Nein? Wenn Sie die Dinger gerne essen, lesen Sie besser nicht weiter …
    Da werden bei Schlachtabfällen – mittels Hochdruckstrahler – die Fleisch- und Fettreste von den Knochen gespritzt und mit Wasser gestreckt. Die Gewinnspanne muss schließlich stimmen. Weil sich bei dieser Behandlung natürlich auch das letzte Geschmacksatömchen verflüchtigt, wird die schleimige Masse anschließend mit Hühneraroma, Salz und Gewürzen ordentlich aufgepimpt. Unter Zugabe von Stärke und Geliermittel wird das Gemisch zu kleinen Briketts geformt und schließlich paniert. Voilà! Fertig ist der Verkaufsschlager der Tiefkühl- und Fast-Food-Industrie. Und jetzt wird auch der Begriff »Nugget«, der aus der Edelmetallgewinnung kommt, klar: Gold findet man bekanntlich im Dreck – und die Fleischindustrie macht aus Dreck Gold.
    Die ganz normale Hühner-Hölle
    Aber das eigentliche Drama ist natürlich, was die moderne Fleischindustrie für die Tiere bedeutet. Gerade die Geflügel produktion ist heute vielerorts eine ornithologische Vorhölle. Wir alle haben die Bilder von nackten, dreckigen Lagerhennen in engen und kahlen

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