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Essen kann jeder

Essen kann jeder

Titel: Essen kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Weber
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Drahtverhauen im Kopf. »Diffamierender Unfug«, sagen Industrie und Politik, »gerade in der Geflügelhaltung hat sich sehr viel zum Wohle des Federviehs getan. Legebatterien sind in Europa sogar verboten.« Der Verstoß gegen dieses Gesetz wird auch strengstens überwacht und in den meisten Ländern so unbarmherzig geahndet wie öffentliches Nasepopeln an einem Staatstrauertag. Nur noch in ganz, ganz seltenen Fällen leben Hühner in alten Käfigen. Ich habe gelesen, dass es so ungefähr 18 Millionen Legehennen sind. In Europa braucht es offensichtlich relativ viele Ausnahmen, um eine Regel zu bestätigen.
    Eier aus unvorschriftsmäßiger Haltung sind nach europäi schem Recht offiziell verboten. Das hat eine skurrile Konsequenz: Neben unversteuerten Zigaretten und geklauten Elektrogeräten sind illegale Eier die heißeste Ware in Europa. Paradoxerweise darf der »Stoff« nämlich weiterhin in der Lebensmittelindustrie verarbeitet werden, zum Beispiel als Trockenei. Denn wenn die Eier schon mal da sind, kann man die guten Lebensmittel nicht einfach in den Müll kippen, das wäre ja echt eine Schande. Hoffentlich lassen sich unsere Drogenfahnder nicht von dieser Logik anstecken!
    Bei uns Deutschen, den Strebern der Europäischen Union, sind an die Stelle der Hühnerkäfige sogenannte Volieren getreten. Das klingt schon eher nach Papagenos Gartenlaube als nach Vogel-KZ. Nun stehen jedem Huhn statt der bisher üblichen 550 cm 2 (der Größe eines Schulheftes) verschwenderische 1 100 cm 2 (die Größe von zwei Schulheften) zur Verfügung. Das sind natürlich ozeanische Ausbreitungsmöglichkeiten, die sich da unseren Hühnern bieten … Außerdem sind diese Vogelparadiese mit Scharrbereich und Sitzstangen ausgestattet. Ich finde, man kann es auch übertreiben! Was kommt als Nächstes? Minibar und Wasserbett? Aber es wird noch toller: Die Tiere werden nur noch in Kleingruppen gehalten, wahrscheinlich mit eigenem Sozialpädagogen im Nestbereich.
    Aber leider besteht eine Kleingruppe aus etwa 60 Tieren. Es handelt sich also um eine sehr, sehr große Kleingruppe. Und da liegt der Hase im Pfeffer oder besser die Henne im Korn begraben: Denn wenn man eines über Hühner sagen kann, dann, dass sie ihren Artgenossen gegenüber ziemlich asozial eingestellt sind. Es handelt sich um kleine Geschöpfe mit riesigen Egos. Hennen sind die Diven unter den flugscheuen Piepmätzen. So eine Madame braucht Platz, andernfalls beginnt die Hühnerbissigkeit. Sie picken und hacken und lassen an ihren Käfigmitbewohnerinnen keine gute Feder. Bei Stress kommt es unter den Mädels sogar zu Kannibalismus. Was sind das für blöde Viecher? Ich rufe den unterdrückten Hennen dieser Welt zu: »Genossinnen. Solidarisiert euch! Eine Henne mag ein schwaches Tier sein. Aber 20 000 gewetzte Schnäbel können einen Bauern zu Knochenmehl verarbeiten!«
    Millionen von Legehennen werden derzeit in Deutschland in diesen reizenden Kleingruppen gehalten. Aber ihre Eier werden natürlich nicht in den Supermärkten verscherbelt. Denn der Konsument achtet mittlerweile auf Öko-, Freiland- oder Bodenhaltung. Das sind die Eier mit der Kennziffer »Null« bis »Zwei« auf der Schale. Die böse »Drei« (Käfig) kauft keiner. Diese Hühnerlagereier werden verborgen vor den Augen des tierfreund lichen Konsumenten heimlich ins Essen gemischt – zum Beispiel in die Fertigcarbonara. Da kann das Frühstücksei von sorgfältigen Bauernhänden persönlich aus dem Po der Henne ge streichelt worden sein – den Frevel an Mutter Natur verbricht der ahnungslose Konsument beim Teegebäck.
    Mein kurzes Leben als Vegetarier
    Angesichts der Zustände in deutschen Mastbetrieben sollten wir bei Markennamen wie »Bauernglück« oder »Wiesenhof« vor den Kühltheken in höhnisches Gelächter ausbrechen. »Endstation Wurst« oder »Apokalypse cow« wären treffender. Immer mehr Menschen sagen zu Recht: Diese Massentierquälerei wollen wir nicht länger unterstützen, deswegen essen wir kein Fleisch mehr. Früher waren Vegetarier eine Randgruppe, vor allem auf dem Land. Der Mensch im Dorf, der keinen Schweinebraten aß, war irgendwo zwischen Moslem und langhaarigem Bombenleger angesiedelt – ein ganz dubioses Subjekt! Das hat sich gewandelt. Der Vegetarismus ist auf dem Vormarsch und steht zunehmend für Erfolg und Sex-Appeal: Sehen Sie sich die ganzen Hollywood-Stars an: Natalie Portman, Michelle Pfeiffer, Penelope Cruz … alles Vegetarierinnen. Man muss zugeben, der Vegetarismus hat

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