Essen mit Freunden - Roman
Alle Konzentration auf die Bewegung, auf das Ziel gerichtet. Die Tür öffnete sich.
»Bringen wir's hinter uns«, raunte Katharina, und noch während sie es sagte, griff Luise zur Rührschüssel und begann mit dem Teig.
Katharina hatte bereits das Wasser aufgesetzt, damit sie die Spätzle ins Wasser drücken konnten, sobald es siedete, als sie Stimmen auf dem Flur hörten. Ein verzweifelter Benni, der seine Mutter zu stoppen versuchte: »Mama, nein, verdirb nicht die Ãberraschung. Bitte nicht in die Küche!«
»Du musst dich verstecken«, sagte Katharina, »sofort!« Ohne weitere Ãberlegung schubste sie ihre Köchin in die kleine Speisekammer neben der Spüle und schob mit dem Fuà die Tür ran. Luise fand sich Auge in Auge mit Besen, Schrubber, Bohrmaschine, Hausrat, der sonst nirgendwo eine Heimat gefunden hatte, einer verbeulten Gugelhupfform, Unmengen von Dosentomaten, einem Paar Gummistiefel mit alten Socken und einigen Spinnweben wieder. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Gut, dass sie keine Stauballergie hatte. Ein Niesen â und alles wäre aus.
»O Gott, wo ist â«, platzte Benni heraus.
»Die gefüllte Kalbsbrust?«, säuselte Katharina. »Die habe ich vorhin zwischen den Gängen abgedeckt in den Ofen geschoben, damit sie warm bleibt. Dann habe ich die SoÃe gemacht. Und den Spätzleteig. Hier, schau. Das Wasser habe ich auch schon aufgesetzt, und jetzt wollte ich die Spätzle mit der Presse in den Topf drücken.«
Katharina hielt sich unglaublich, auch wenn Luise ein wenig Panik in ihrer Stimme auszumachen meinte. Wie die Spätzlepresse funktionierte, hatten sie vorhin nämlich nicht mehr durchgesprochen.
»Eine Spätzlepresse?«, hörte sie nun die Stimme von Bennis Mutter. »Schaben kannst du sie nicht?«
Luise verdrehte die Augen. Das durfte nicht wahr sein. Sollte es jetzt an der Frage pressen oder schaben scheitern? Durch den haarfeinen Türspalt konnte Luise mehr ahnen als sehen, wie Katharina langsam den Kopf schüttelte.
»Wenn du willst, kann ich es dir zeigen. Habt ihr ein dünnes Brettchen? Und ein Messer?«
Luise traute ihren Ohren nicht. Lief es sogar noch besser, als sie dachte? Nur zu gern hätte sie jetzt die Tür einen Spalt weiter geöffnet, um zu sehen, wie jemand im Chanelkostüm Spätzle schabte. Luise hielt die Luft an und spitzte die Ohren.
»Guck, Mädel, so geht des.«
Sie hätte juchzen können in ihrem Versteck. Auch sie hätte mit Benni wetten sollen. Um noch mehr von dem Gespräch vor der Tür zu hören, veränderte sie ihre Position und stieà dabei aus Versehen leicht mit dem Ellenbogen an die Tomatendosen im Regal, die ins Wanken gerieten, bedenklich wackelten und deren Sturz nur deswegen nicht auffiel, weil Benni das elektrische Fleischmesser genau in dem Moment anschaltete, als die oberste Dose mit einem Salto in die Gummistiefel kippte.
Als sich die Familienkarawane â die Mutter mit den Spätzle, Benni mit dem aufgeschnittenen Braten und Katharina mit der Gemüseschüssel â in Richtung Wohnzimmer entfernte, stellte Luise die restlichen drei Tomatendosen, die sie aufgefangen hatte, zurück an ihren angestammten Platz neben dem Bügeleisen. Sie lauschte in die Küche, wo sich nochmals ein Rascheln näherte. Katharina, die Sauciere in der Hand, öffnete die Tür zur Speisekammer. »Hast du es gehört? Mädel?«, fragte sie leise, Tränen in den Augen.
»Ja, hab ich.« Luise nickte. »Ihr habt es wunderbar ge
macht. Und wenn du nachher die Zwetschgen anstellst, vergiss nicht: kleine Flamme, zuerst ein bisschen Wasser in den Topf, damit sie nicht anbrennen, etwas Rotwein dazu und dann noch ein wenig Zwetschgenwasser. Zucker, Zimt. Du kommst klar, ja?«
Katharina nickte.
»Gut.« Luise lächelte. »Und nun mach, dass du rüberkommst, Mädel .«
Als die Tür zum Wohnzimmer wieder zugeschoben wurde und das Tischgespräch gedämpfter klang, holte Luise ihr Handy hervor. Es klingelte nur einmal, und schon war Sybilles Stimme am anderen Ende. »Rette mich«, flüsterte Luise in den Hörer. »Bitte. Jetzt. Sofort!«
âZitrone
Das Telefon schlich sich in ihren Traum. Luise zählte im Halbschlaf die Klingeltöne mit, bis der Anrufbeantworter ansprang. Sie lag im Bett und musste sich sortieren. Ihre Muskeln, ihre Knochen, ihre Gedanken.
Weitere Kostenlose Bücher