Essen mit Freunden - Roman
doch mehr als genug! Wie findest du ihn?«
Luise zuckte mit den Schultern. »Ich weià nicht, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Sein Bild in meinem Kopf hat sich ständig verändert. Mal war er ein schmieriger Gigolo, der alte Frauen ausnimmt, mal ein gerissener Heiratsschwindler. Auf jeden Fall war er nie nett oder freundlich, geschweige denn attraktiv. Dabei ist der reale Paul ganz normal. So alt wie meine Mutter, ein bisschen gröÃer als sie, mit vollem, gewelltem Haar, schneeweiÃ. Er ist charmant. Ich kann gut verstehen, dass er ihr gefällt.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Mit ihnen?«
»Nein, mit euch. Mit dir.«
»Ich weià nicht genau.« Luise spielte mit ihrem Teelöffel. »Vielleicht fahre ich demnächst mal bei ihr vorbei. Vielleicht lade ich sie auch zu mir ein. Beide. Das war ja jetzt immerhin ein Anfang.« Sie schwieg eine Weile, dann sah sie Anne an und seufzte. »WeiÃt du, was mir am meisten gefallen hat? Die Art, wie er sie ansieht. Wie er ihr zuhört. Als wäre sie das gröÃte Geschenk, das er jemals bekommen hat. Das hat mich unheimlich berührt.« Sie schwieg wieder, um nicht auch noch gestehen zu müssen, was sie eigentlich am meisten traf: dass ihre Mutter etwas lebte, wonach sich zu sehnen Luise lange nicht mehr getraut hatte.
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Ihr Handy klingelte, als sie gerade aus der Parklücke raus war. Bestimmt war es Ole, der wissen wollte, wo sie blieb. Sie hatte sich mit Anne verquatscht und war eindeutig zu spät. Ohne auf das Display zu schauen, nahm sie den Anruf an. »Ich komme gleich. Bin schon unterwegs«, rief sie in den Apparat.
»Luise?«, fragte eine Stimme, die ihr irgendwie bekannt vorkam, die aber eindeutig nicht Oles Stimme war. »Bist du das?« Ihr Herz schlug ein paar Takte schneller, was nicht nur an dem Polizeiauto lag, das an der roten Ampel, der sie sich gerade näherte, neben ihr halten würde, während sie ohne Freisprechanlage telefonierte.
»Ja, hier ist Luise. Und du bist â«
»Raphael. Wir kennen uns von â«
»Svenja â Ja, ich weiÃ.«
Eine kurze Pause entstand, in der Luise vorsichtig abbremste, weil sie weder das Telefonat beenden noch eine Begeg
nung mit der Polizei wollte. Auf der anderen Seite der Leitung wurde unterdessen tief eingeatmet. Die Ampel sprang um, das Polizeiauto bog ab. Sie gab Gas. »Gibt es einen Grund, warum du dich meldest?«
»Weil, na ja, ich â¦Â«, wurden am anderen Ende Worte und Gedanken geordnet. »Oder passt es dir gerade nicht?«
»Doch, es ist schön, dass du anrufst. Ich freue mich«, antwortete sie. Warum sagte sie das? Das war eindeutig zu nett. Sie biss sich auf die Lippen.
»Gut, also, ich â«, begann er wieder.
»Mist!« Unvermittelt trat sie auf die Bremse, als ein Luftballon über die StraÃe wehte. Sie klemmte das Handy zwischen Schulter und Ohr, setzte den Fuà auf die Kupplung, schaltete, fuhr weiter.
»Ich glaube, ich störe dich doch, oder?«
»Ich bin gerade unterwegs. Aber bevor ich gleich mit einem drängelnden Lastwagen hinter mir und einem abrutschenden Telefon am Ohr auf die HochstraÃe fahre, würde ich schon gern wissen, warum du anrufst.« Wieder sog sie nervös an ihrer Unterlippe, denn auch dieser Ton war nicht der richtige.
»Weil ich eine Frau kennengelernt habe und mir nicht sicher bin, ob ich mich in sie verliebt habe.« Er holte Luft.
Sie holte Luft. »Verliebt? Oh!«
Der Laster setzte zum Ãberholen an.
»Darum würde ich dich gern«, er kämpfte mit sich: »buchen.« Leise sagte er das. Sehr leise.
»Mich buchen ?« Luise war sich nicht sicher, ob sie durch den Lastwagen, der an ihr vorbeidonnerte, etwas falsch verstanden hatte.
»Ja, für ein Essen zu zweit.«
»Mich buchen?«, wiederholte sie.
»Es wäre schön, wenn du für mich kochen könntest. Ich bin nicht gut in so was.«
»Mhm«, murmelte Luise, »und wie hast du dir das vorgestellt? Essen zu zweit? Mit Kerzen und so? Was mag sie denn? Was isst sie gern?«
»Das weià ich nicht. Ich kenne sie noch nicht gut genug. Ich dachte, ein Essen wäre keine schlechte Möglichkeit, sich besser kennenzulernen.«
»Ja, sicher«, sagte Luise ziemlich unterkühlt. Natürlich war sie davon überzeugt, dass man mit dem passenden Essen jedes Herz erweichen konnte, nur
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