Essen mit Freunden - Roman
hatte sie nicht gedacht, das ausgerechnet an der Herzensdame von diesem Raphael demonstrieren zu müssen. Kaffeeaugen, Sahnestimme. Sie erinnerte sich zu gut. »Wie wäre es, wenn du mich morgen Mittag noch mal anrufst? Dann können wir die Details besprechen. Hier wird die Situation nämlich gerade etwas unübersichtlich.«
»Klar, die HochstraÃe, ich verstehe.« Die Sahne in seiner Stimme schien zu gerinnen. »Hattest du ja gesagt. Gut. Ich melde mich. Bis morgen dann.«
»Ja, bis morgen.« Mit der linken Hand hielt sie das Steuer umklammert, mit der rechten stopfte sie das Telefon in ihre Tasche. Ganz tief nach unten, auÃer Reichweite.
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»Hallo, Luise!«, sangen die Mädchen im Chor, als sie die Tür aufrissen, noch bevor sie überhaupt geklingelt hatte.
»Ich hoffe, es stört dich nicht, dass sie da sind«, sagte Ole entschuldigend, als sie Luise ins Wohnzimmer gezogen hatten und ihren üblichen BegrüÃungstanz vollführten.
»Nein, ist schon in Ordnung«, sagte sie, obwohl gerade
gar nichts in Ordnung war. Der Anruf eben hatte ihre Laune getrübt. Nicht, dass dieser Raphael irgendeinen Eindruck bei ihr hinterlassen hätte. Sicher nicht. Sie hatte in den vergangenen drei Wochen kaum an ihn gedacht. Höchstens ein- oder zweimal. Am Tag. Vorm Einschlafen oder nach dem Aufwachen. Aber nicht öfter. Jedenfalls nicht öfter als an Ole. Und auf den hatte sie sich heute unglaublich gefreut. Auf ungestörte Zeit mit ihm. Aber danach sah es auch diesmal nicht aus.
Lilly und Nele liefen in das Spielzimmer, um ihr ihre neuesten Errungenschaften zu zeigen. Ein hässliches Pferd mit lila Mähne und eine Puppe mit Windeln wurden angeschleppt. Luise lobte beides gebührend und hoffte, dass sie so schnell wie möglich einen Kaffee bekam.
»Eigentlich wollte Judith die beiden nehmen, damit wir in Ruhe arbeiten können, aber ich hatte die Termine falsch in mein Smartphone eingetragen, und da hatte sie Markus schon versprochen, ihm mit seinen Gardinen und den Sofakissen zu helfen. Dabei stören die Kinder nur.«
»Kann ich mir vorstellen«, sagte Luise und bemühte sich, nicht allzu zynisch zu klingen.
»Sein Untermieter ist endlich raus, und nun kann Markus zurück in seine alte Wohnung. Seit dem Wochenende sind auch die restlichen Sachen aus London da. Fehlen also nur noch die Gardinen.«
»Und die Sofakissen.«
Ole streifte sie mit einem Seitenblick und runzelte die Stirn. »Bist nicht ganz so gut drauf, oder?«
»Geht schon«, sagte sie. »Die Fahrt eben war ein bisschen stressig.«
»Dann lass uns mal anfangen. Vielleicht bessert sich dann deine Laune.«
Er startete seinen Laptop und zeigte ihr das, was er bisher entworfen hatte. Luise war sprachlos. Eine Küchenzeile in Rosenrot leuchtete auf dem Bildschirm. Ãber dem Handtuchhalter prangte ein altes Emailleschild. Essen mit Freunden stand darauf. Klickte man auf die Kühlschranktür, öffnete sie sich, und das Seitenmenü kam zum Vorschein. In jedem Kühlschrankfach war dann eines ihrer Angebote untergebracht. Ãber dem Herd hing in einem Goldrahmen ein Foto von ihr, über das man mit einem Klick zu ihren Kontaktdaten kam.
»Und jetzt kommt das Beste«, sagte Ole und strahlte sie an. »Pass auf!« Per Mausklick öffnete er die einzelnen Schubladen des Küchenschranks. Ein satter Ton erklang, ähnlich wie bei ihr daheim. »Ist das nicht toll?«
»Das ist fantastisch!« Luise schüttelte ungläubig den Kopf. »Und was kommt in die Schubladen?«
»Keine Ahnung. Das hängt von dir ab. Vielleicht kannst du das für Extras wie Rezepte oder Fotos nutzen, meinte Markus. Oder wenn du expandieren willst mit Kochkursen.«
»Meinte Markus?« Sie blieb an diesen beiden Worten hängen.
»Ja. Das mit der aufklappenden Kühlschranktür und dem Herausziehen der Schubladen war sein Vorschlag. Er ist mit so etwas einfach viel besser als ich. Seine Ideen und sein Querdenken waren schlieÃlich auch der Grund, warum sie ihn in London wollten. Ist doch super, nicht wahr?«
Sie nickte nur.
»Er findet nämlich klasse, was du machst. Beneidenswert. Er ist überzeugt, dass ein Projekt wie Essen mit Freunden ein groÃer Erfolg werden kann.«
Sie nickte immer noch und überlegte fieberhaft, was sie
sagen könnte. Natürlich war es gut. Besser, als Luise es sich jemals
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