Essen mit Freunden - Roman
Aufmerksam beobachtete sie die Gäste, sog jedes Lob, jedes Mmmm und Ahhh in sich auf, registrierte, wer wie viel nachnahm, wer etwas auf dem Teller lieÃ, wer ihren Blick suchte oder mied, und sie freute sich, als eine Freundin Mareks nach ihrer Visitenkarte fragte. Sie war zufrieden.
»Sieht aus, als ob sie satt sind«, flüsterte sie Svenja zu. »Zeit für die Ananas.«
Svenja nickte. »Und ich kümmere mich um den flüssigen Nachtisch.«
Auf dem Weg in die Küche sah Luise, wie Svenja versuchte, Mareks Aufmerksamkeit zu erhaschen. Der jedoch unterhielt seine Gäste mit wilden Geschichten und groÃer Geste. Für die anderen war er sicher ein guter Gastgeber, zuvorkommend, charmant, aber für seine Freundin hatte er keinen Blick. Luise konnte sich gut daran erinnern, wie es war, mit einem Mann zusammen zu sein, der nach allen Seiten seinen Charme versprühte, ohne die Freundin zu sehen, die ihn begleitete, die neben ihm immer leiser und blasser wurde, bis sie von den Servietten oder der Küchenwand kaum mehr zu unterscheiden war. Sie hatte Svenja bei Text-Berg lustig und selbstbewusst erlebt. Doch auch wenn sie ihr leidtat, war Luise heilfroh über diesen Spiegel. Froh darüber, dass sie selbst sich nicht mehr klein machte, wie in der Zeit mit
Jörg. Dass sie sich wieder aufgerichtet hatte und mit Essen mit Freunden vielleicht sogar ein Stück über sich hinauswuchs. Das alles würde sie nicht mehr aufgeben. Schon gar nicht für einen Mann.
»Eine Margarita oder ein Tequila Sunrise?«, rief Svenja vom Tresen aus, nachdem die Teller abgeräumt waren und das Dessert verteilt war.
Luise war sich nicht sicher, ob ihr eher nach Orange oder nach salziger Limette war, ob sie überhaupt noch etwas trinken wollte, denn eigentlich wäre jetzt der perfekte Moment, um nach Hause zu verschwinden.
»Ich würde dir zu einem White Russian raten, auch wenn sie den vermutlich erst in der nächsten Runde ins Spiel bringt. White Russian macht sie besonders gut.«
Ãberrascht drehte sie den Kopf zur Seite und blickte über Svenjas leeren Stuhl hinweg auf den Platz daneben. »White Russian?«, fragte sie zögernd.
Eine Stimme wie Sahne, Augen dunkel wie Kaffeelikör. Das war ihr bis jetzt entgangen. Sie hatte zwar wahrgenommen, dass der Teller an diesem Platz nicht allzu voll gewesen war und die gefüllte Ananas verschmäht wurde, aber sie hatte nicht gesehen, wer zu diesem Teller gehörte.
»White Russian klingt gut«, sagte sie.
Luise schaute zu, wie Kaffeeaugen mit Sahnestimme durch einen zurückhaltenden Wink zwei White Russian orderten, um dann wieder wortlos einen unsichtbaren Punkt auf dem Tisch zu fixieren. Eigentlich war sie ja müde. Den ganzen Tag auf den Beinen und dazu noch das reichliche Essen.
»Du bist also Luise, die Köchin«, sagte er, als Svenja zwei Gläser vor ihm abgestellt hatte, von denen er eines an Luise weiterreichte.
Sie nickte.
»Auf dich.«
Sie nippte.
»Ich heiÃe übrigens Raphael.«
Sie schluckte. Sahne, Kahlua und eine gute Portion Wodka breiteten sich in ihrem Körper aus.
Dabei wollte sie doch nur noch ins Bett. Jetzt. Sofort.
»Ein schöner Name«, sagte sie und nahm den nächsten Schluck.
âRühreier
Fenchel, Zitronenmelisse, Fisch. Luise stellte ihren Einkauf auf die Rückbank. Der Kofferraum war bereits belegt von Terrakottakästen und Tüten voller Blumenerde. Als sie am Wochenende auf ihrem Balkon die ersten Frühlingsstrahlen genossen hatte, war es ihr wie eine groÃe Verschwendung vorgekommen, wenn sie es nicht ausnutzte, dass sie Südseite und viereinhalb Quadratmeter Himmel hatte. Sie könnte einen Teil der Kräuter, die sie für Essen mit Freunden brauchte, selbst anbauen. Nicht nur in den alten Blumentöpfen, die sie schon immer bepflanzt hatte, sondern in gröÃerem Stil. Anne würde ihr morgen zusätzliche Haken an die Balkonbrüstung dübeln. Luise warf die Autotür zu und beschloss, dass sie sich nun einen Kaffee als Belohnung verdient hatte.
Gleich um die Ecke lag das Kulturhaus, wo es ein nettes Garten-Café gab. Sobald es das Wetter zulieÃ, saà man dort mit seinem Getränk auf alten Holzbänken unter Rosenranken. Im Herbst leuchtete rotes Weinlaub an der Hauswand
gegenüber. Durch eine Lücke zwischen den Häusern konnte man in der Ferne den Bahnhof erblicken, den Zügen
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