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Essen mit Freunden - Roman

Essen mit Freunden - Roman

Titel: Essen mit Freunden - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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antwortet zwar auf deine Fragen, aber im Grunde erfährst du rein gar nichts. Du hast zweimal für ihn gekocht, und das Einzige, was er hinterher erzählt, ist: Es hat nicht geklappt. Woran es lag, weißt du nicht. Wie sie es fand, weißt du nicht. Was sie geredet haben,
weißt du nicht. Du weißt noch nicht einmal, ob es überhaupt geschmeckt hat. Also nicht ihr, sondern ihm. Jedenfalls hast du darüber noch gar nichts gesagt. Hat dein Raphael sich denn zum Essen überhaupt schon mal geäußert?«
    Â»Er war zufrieden.«
    Â»Zufrieden?« Anne lachte kurz auf. »Er hat mit ihr deinen warmen Schokoladenkuchen gegessen, Luise. Erinnerst du dich, wie Natascha aussah nach dem zweiten Stück? Glückselig ist eine milde Untertreibung. Zufrieden ist ein bisschen mager. Zufrieden kann ich auch mit einer Portion Pommes mit Mayo sein. Entweder hat er keinen Geschmack oder ein ernsthaftes Problem.«
    Â»Was meinst du damit?«
    Â»Mich interessiert, was da eigentlich läuft. Sie kommt zu ihm zum Essen, und das nicht nur einmal. Eine recht intime Situation. Also scheint sie ihn ja nicht abstoßend zu finden. Und er will sie auch, sonst würde er den ganzen Aufwand nicht betreiben. Doch bevor er etwas mit ihr anfangen kann, ist sie wieder weg. Und hinterher kann er dir noch nicht mal sagen, warum.«
    Â»Vielleicht ist er einfach zu schüchtern. Und sie auch.«
    Â»Dann ist wohl doch was dran gewesen an Markus' Kommentar zum Thema Mut.«
    Luise schnitt eine Grimasse, die ihrem Kaffee-Smiley mit herausgestreckter Zunge recht ähnlich sah. »Sie brauchen einfach nur noch ein bisschen Zeit.«
    Â»Oh, Luise, ich kenne diesen Unterton. Er ist so schüchtern. Er braucht Zeit. Er ist sehr sensibel. Er trägt sicher ein ganz großes Geheimnis mit sich herum. Es ist lange her, dass du so etwas das letzte Mal gesagt hast. Aber den Knall, mit dem diese Sachen jedes Mal geplatzt sind, habe ich noch gut im Ohr.«
    Luise schwieg. Sie hörte den Wasserhahn tropfen. Sie hörte die Haustür ihrer Nachbarn ins Schloss fallen. Sie hörte auch, dass Anne, die bei Telefonaten immer irgendetwas nebenbei erledigte, aufgehört hatte, etwas nebenbei zu erledigen, und ebenfalls schwieg. Und wenn zwei in ihre Telefonhörer hineinschweigen, kann das eine große Herausforderung für beide Seiten sein. Auch diese Situation hatte es zwischen ihnen lange nicht mehr gegeben.
    Â»Warum muss es denn unbedingt ein Essen sein?«, fragte Anne schließlich. »Sie könnten auch ins Kino gehen. Da brauchen sie noch nicht einmal miteinander zu reden.«
    Â»Kino ist doch viel intimer als ein Essen.«
    Â»Nicht als ein Essen zu Hause zu zweit. Finde ich.«
    Â»Ich kann ihm deinen Vorschlag ja mal unterbreiten«, sagte Luise und wischte mit einer Papierserviette kurzerhand Kaffee und Smileys und Blitze vom Tisch.
    Â»Was hat er denn jetzt als Nächstes vor?«, fragte Anne, und es klang, als wolle auch sie das Thema endlich beenden.
    Â»Ich dachte an einen Abend unter freiem Himmel. Das ist doch das Romantischste, wozu dich jemand einladen kann. Das muss sie überzeugen. Er hat einen wunderbaren Balkon.«
    Â» Du dachtest daran?«
    Â»Ja. Und er fand meine Idee toll. Wir haben Mitte Juni, und das Wetter soll noch eine Weile so gut bleiben. Sie haben sich für Samstagabend verabredet.«
    Anne holte tief Luft, schien dann aber den Kommentar, der ihr auf der Zunge lag, hinunterzuschlucken und sagte nur: »Dir als Köchin muss ich wohl zu deinem ersten Stammkunden gratulieren. Als Freundin wünsche ich dir aber, dass du dich da nicht in irgendetwas verrennst.«
    Â 
    Die Idee mit dem Balkon war einfach perfekt. Zwischendrin dachte sie immer wieder an Markus und ihren Geburtstag. War sie anfangs noch berührt und unsicher gewesen, was sie über den Abend am See und Markus' Bemerkungen über Essen und Verführungen denken sollte, hatte sie mittlerweile jeden Satz, jede Geste seziert und in Einzelteilen unter den unterschiedlichsten Rubriken in ihrem emotionalen Giftschrank abgelegt. Als einzig Positives an der Situation war das Ambiente geblieben: die Nacht, das Feuer, der Mann. Also nicht Markus im Besonderen, sondern ein Mann an sich. Und so war ihr die Idee mit dem Feuer gekommen. Luise zweifelte nicht an der Wirkung. Allein bei dem Gedanken an solch einen Abend glimmten ihre eigenen Gefühle. Sie malte es sich aus: Sie säßen

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