Essen mit Freunden - Roman
platzten. Sie fühlte sich plötzlich seltsam deplatziert, was nicht an dem viel zu kleinen Kinderstuhl lag, auf dem sie saÃ. Nur nicht heulen! , dachte sie, aber da tropfte es auch schon auf ihre Leinenhose.
»Das Gelbe ist Entenschminke. Aber sonst ist es sauber«, flüsterte Markus und reichte ihr sein Taschentuch, ohne den Blick von der Bühne zu wenden.
Nun hätte sie erst recht heulen können. Warum konnte sie nicht unbemerkt die Tränen mit dem Handrücken wegwischen? Warum musste ausgerechnet Markus das mitbekommen? Sie fühlte sich wie an Weihnachten, als sie ihn im Imbiss getroffen hatte. Klein, verletzlich. Nun würde er sich noch gröÃer fühlen können. Und wenn sie sich verletzlich zeigte, würde sie mit Sicherheit verletzt werden. Das hatte sie oft genug erfahren.
Nachdem die Schlussakkorde verklungen und der Applaus abgeebbt waren, leerte sich der Raum. Alle strömten nach drauÃen an die frische Luft.
»Du kommst doch noch mit zu uns, oder?«, fragte Ole.
»Ja, du wolltest mir doch den Grill geben«, antwortete sie.
»Ich meinte eigentlich zum Essen.«
Sie sah ihn überrascht an. »Essen?« Davon war bisher nicht die Rede gewesen. »Na gut.«
Â
Als sie am Reihenhaus ankam, stand die Haustür offen. Von drinnen Kinderlärm und Stimmen. Sie machte einen groÃen Schritt über Neles Dreirad und ging ins Wohnzimmer. Der Raum war mit Girlanden geschmückt, drei Mütter aus der Kita waren auf dem Sofa in ein Gespräch vertieft. Ein Vater fachsimpelte mit Ole im Garten über Rasensprenger. Auf der Terrasse war ein Büfett aufgebaut.
»Warum habt ihr nichts davon gesagt, dass ihr zu Hause noch feiert. Dann hätte ich doch auch etwas mitgebracht«, wandte sich Luise an Judith.
»Das hat sich ganz spontan ergeben. Lilly wollte als Belohnung Marshmallow-Schaschlik für sich und ihre Freundinnen. Und du weiÃt ja, wie das ist. Es wird dann doch immer etwas gröÃer als gedacht.«
Luise biss sich auf die Lippen, als sie sah, wie Markus am Küchentresen hantierte. Die Ãberraschung zu ihrem Geburtstag war das Eine. Der Kuchen, die Salate, das Grillen â es war ein Geschenk. Jetzt aber fühlte sie sich ausgebootet. Markus machte Kinder-Schaschlik, er machte das Büfett, und sie wurde nicht einmal gefragt, ob sie etwas beisteuern würde. Schon wieder kam er ihr in die Quere. Auf ihrem Terrain.
»Du hast im Moment bestimmt genug zu tun. Ole hat erzählt, wie voll dein Terminplan ist«, sagte Judith beschwichtigend. »Gast zu sein ist doch auch mal ganz schön.«
»Da hast du wohl recht.«
»AuÃerdem ist Markus ja ihr Patenonkel.«
Luise schämte sich dafür, nicht lockerer mit der Situation umgehen zu können, doch sie konnte nicht aus ihrer Haut. Wieso zeigte er ihr ständig, was er konnte? Was er wusste? Wollte er sie an die Wand spielen? Hatte es als Angebot für einen Waffenstillstand nicht gereicht, dass sie ihm mit den Cantuccini recht gegeben hatte? Oder war es wirklich so: Sie gab eine Schwäche zu, aus der er dann Stärke zog. »Gut!«, sagte sie und riss sich zusammen. »Ich bin gespannt, was er so zaubert.«
»Schnattschnattschnatt!«, schrie Lilly, stürmte mit ihren Freundinnen von drauÃen herein und sprang auf die Schaukel im Spielzimmer. Sie war die entengelbe Königin der Party. Triumphierend lächelte sie Nele an, die vor ihr stand und von einem Bein auf das andere trappelte. »Ich will auch schau
keln!« Judith hob die Kleine hoch und setzte sie auf den Kinderstuhl am Küchentresen.
»Vielleicht kannst du Markus helfen«, sagte sie mit gespieltem Ernst zu ihrer Tochter. »Du weiÃt ja, dass er zwei linke Hände hat.«
»Helfen, helfen!«, quietschte Nele und patschte auf die Arbeitsfläche.
»Mit so viel Unterstützung hatte ich nicht gerechnet.« Markus sah wenig begeistert aus. Dann streifte sein Blick Luise. »Vielleicht kann dich ja jemand beim Helfen unterstützen«, sagte er zu Nele.
»Ja, Luise, soll auch helfen!«, rief Nele und klatschte in die Hände.
Luise schaute Markus wütend an. Sollte sie jetzt das Kindermädchen sein?
»Willst du etwa nicht?« Er warf den Blick zurück. Herausfordernd, wie sie fand. Ihr wurde klar, dass er ihr Gespräch mit Judith mitbekommen haben musste.
»Doch«, sagte sie und setzte sich auf den Hocker neben
Weitere Kostenlose Bücher