Essen mit Freunden - Roman
letzter Einsatz bei ihm sein. Sie würde keinen weiteren Auftrag von ihm annehmen, weil sie ihn nicht als Stammkunden wollte. Wenn sie ihn dann nach Abschluss
ihrer Geschäftsbeziehung im Gegenzug zu sich zum Essen einlud, würde sich zeigen, ob sich ihre Fantasien nicht irgendwie in die Tat umsetzen lieÃen.
Die Idee mit dem Feuer und dem Wok erwies sich als komplizierter als gedacht. Raphael hatte ihr auch diesmal freie Hand in der Planung gelassen, doch als sie mit dem Grill und der Holzkohle vor seiner Tür stand, hatte er Bedenken. Die Nachbarn, die Hausverwaltung. Und gab es nicht auch Brandschutzregeln? Während Luise in der Küche stand und das Fleisch marinierte, suchte er im Internet nach Gesetzen über das Grillen auf Balkonen. Mit einer Hälfte ihres Herzens machte sie sich Vorwürfe, weil sie das vorher nicht selbst abgeklärt hatte, und hoffte, dass der Erfolg des Abends nicht durch ihre Nachlässigkeit auf der Kippe stand. Die andere Hälfte ihres Herzens fand ein Scheitern der Verführung allerdings nicht ganz so tragisch.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie, als er einen Blick in die Küche warf.
»Ich bin mir nicht sicher. Es gibt unterschiedliche Urteile. Gas- und Elektrogrills sind erlaubt, aber es ist ja ein Holzkohlegrill. Da sollte ich besser in meinem Mietvertrag gucken, ob es eine Ausschlussklausel fürs Grillen gibt.« Er nahm sich einen Kaffee und ging zurück ins Wohnzimmer.
»Wäre es nicht am einfachsten, wenn du deine Nachbarn fragst, ob es sie stören würde?«, rief sie ihm hinterher, doch sie bekam keine Antwort. Also überlieà sie ihm die Klärung der Eckdaten und gab noch einen Löffel Waldhonig zum Knoblauch und dem geriebenen Ingwer in die SojasoÃe. Salzig, süà und scharf. Sie war zufrieden und legte die Fleischstreifen in die Marinade.
Eigentlich hatte sie gedacht, das einzige Problem beim
heutigen Essen wäre, dass er als Koch tätig werden müsste. Dass für ihn das primäre Problem allerdings nicht das Kochen, sondern ein Feuer auf dem Balkon sein könnte, damit hatte sie nicht gerechnet.
»Also im Mietvertrag finde ich nichts.« Er lächelte zum ersten Mal an diesem Abend und trat auf sie zu, fast tänzelnd. »Soll ich das Feuer schon anmachen, schönste Frau Köchin?« Er kam ihr so nah, dass sie eine kleine Unebenheit auf seiner Stirn entdecken konnte. Vielleicht eine Windpockennarbe. Seine Augen lagen vor ihr wie tiefe dunkle Seen.
Wortlos schüttelte sie den Kopf. Schönste Frau Köchin . Am liebsten hätte sie laut aufgejuchzt, sagte aber nur: »Mach das Feuer erst an, wenn sie da ist. Zum Aperitif. Dann wirkt das Ganze noch viel besser.« Auch wenn sie sich gerade mehr als alles auf der Welt wünschte, dass es nicht wirken würde. Oder besser: dass sie es wäre, für die er das Feuer schürte. Denn eigentlich war das hier ja ihr Abend. Ihre Inszenierung. Ihre Fantasie.
»Schade.« Er zuckte mit den Schultern, und nach einer Weile, die sie sich schweigend angeblickt hatten, sagte er: »Ich gehe mich umziehen.« Sie wandte sich ab. Ihre Hände zitterten. Frühlingszwiebeln schneiden, Möhren stifteln, Zuckerschoten blanchieren, Salat waschen. Das war zu tun. Das war, was sie beruhigen würde. Das weiÃe Schokoladeneis mit rotem Pfeffer hatte sie bereits portioniert und in den Gefrierschrank gelegt, die mit Zucker kandierten Rosen für das Dessert lagerten in ihrer Kühlbox, wo sich auch die Gänseblümchen und Stiefmütterchen befanden, die sie als Dekoration für den Salat verwenden wollte.
»Okay so?«, fragte er, als er in die Küche zurückkehrte.
Dunkelgraues Hemd, schwarze Jeans. Er war frisch rasiert,
und sie roch sein Aftershave. Etwas mit einer süÃen Kopfnote und einem metallischen Herzen. Thorben benutzte das Gleiche. Er sah gut aus. Schmal, verletzlich, sensibel. Seine Schüchternheit konnte nur ein Zeichen dafür sein, dass er etwas anderes suchte als eine aufregende Affäre. Und seine Vorsicht mit dem Grill stand bestimmt für seine Umsicht und Ehrlichkeit. Raphael wäre endlich ein Mann, der ihr guttäte, befand Luise. Der Ruhe und Stabilität in ihr Leben bringen könnte.
»Du siehst mehr als okay aus«, sagte sie. Langer Blick. »Eigentlich sollte ich â«, begann er zögernd. Sein Gesicht war ein Kampfplatz verschiedenster Gefühle, die sich in einer
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