Essen mit Freunden - Roman
Frage lösten: »Möchtest du vielleicht etwas trinken?«
»Ja, gern«, sagte Luise mit einem tiefen Seufzer, um sich dann wieder der Vinaigrette zu widmen. Es war Zeit, dass sie hier für heute zu einem Ende kam.
Bevor sie ging, erklärte sie ihm noch einmal genau, was er zu tun hätte und dass das Wichtigste an der Sache das Rühren im Wok sei. GroÃe Hitze, kurze Garzeit. Das Fleisch stand bereit, die Zuckerschoten, die Cashewnüsse und die anderen Zutaten in einzelnen kleinen Schälchen daneben, nicht nur dekorativ drapiert, sondern in genau der Reihenfolge, in der sie in der Pfanne landen sollten. Er musste beim Bestücken des Woks nur einer kleinen, von ihr entworfenen Choreografie folgen. Der Rosensirup und die kandierte Blüte für das Eis warteten in der Küche, der Salat stand auf dem Tisch. Wieder ihr weiÃes Tischtuch, ein Meer von Windlichtern, überall verteilt, ein Korb mit frischem Brot, Kristallgläser, Silberbesteck. Edle Kontraste zum archaischen Feuer.
»Ich hole den Grill in ein paar Tagen ab.« Sie blieb in der Wohnungstür stehen.
»Ich melde mich bei dir«, sagte er. »Wie immer.«
Sie nickte.
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Bepackt mit ihren Transport- und Kühlboxen, landete sie unten an ihrem Auto. Schritte näherten sich, und sie hörte plötzlich eine vertraute Stimme.
»Wenn du alles drin hast, steigst du ein und fährst deinen Wagen um die Ecke.«
Sie sah entgeistert auf und lieà die Kisten in den Kofferraum sinken. »Was machst du denn hier?«
»Nichts. Oder doch. Ich erkläre es dir später. Mach schon!«, sagte Anne und setzte sich auf den Beifahrersitz, wobei sie die StraÃe im Blick behielt.
»Ist irgendwas mit Natascha?«
»Nein. Der geht es gut. Ich sag es dir gleich. Hast du alles drin? Komm, steig ein.«
»Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung hierfür.« Luise warf einen letzten Blick zum Balkon. Er war leer. Wahrscheinlich stand Raphael noch einmal vorm Spiegel, korrigierte die Frisur oder strich sich nervös sein schönes Hemd glatt. Vielleicht wartete er aber auch an der Gegensprechanlage auf das Klingeln. Nur die Kerzen flackerten im Wind. Fünf vor neun. Nichts wie weg. Jeden Augenblick konnte die Frau auftauchen. Sie stieg ein, startete den Motor, fuhr bis zur nächsten StraÃenecke und bog ab.
»Stopp, nun fahr hier ran, und stell den Wagen ab.«
»Bitte? Wieso das denn? Kannst du mir mal sagen, was los ist?« Luise verlor langsam die Geduld.
»Wir steigen jetzt in Nataschas Wagen um, und dann erkläre ich es dir.«
»Anne!« Luise blieb auf dem Fahrersitz, wie festgewachsen.
»Ich sage dir alles, wenn du jetzt deinen Wagen hier abstellst und bei mir einsteigst. Versprochen!«
Luise schüttelte den Kopf, gab dann aber resigniert nach. Sie stieg in Nataschas Wagen, wo Anne einmal kurz den Motor aufheulen lieÃ.
»Ich hoffe, du hast eine vernünftige Erklärung für dieses Theater«, sagte Luise, als sie sich anschnallte und beinahe im selben Augenblick erkannte, wohin Anne fuhr. Denselben Weg retour. Sie hielten in der Parklücke, in der Luise gerade noch gestanden hatte. Der Blick auf Raphaels Balkon war hervorragend. Die Kerzen, die sanft wehende Tischdecke. Ansonsten sahen sie nichts. Und niemanden.
»Sie ist also immer noch nicht da«, stellte Anne fest und setzte endlich ihre Sonnenbrille ab, die zwar ausgesprochen stilecht für heimliche Ãberwachungen war, aber um diese Zeit überflüssig. Es begann zu dämmern, und die ersten Fledermäuse machten sich auf den Weg.
»Wenn du nicht sofort sagst, was das hier soll, steige ich aus und rede die nächsten drei Wochen kein Wort mehr mit dir.« Luise versuchte vergeblich, Anne einen strengen Blick zuzuwerfen. Leider konnte sie nicht leugnen, dass ihre anfängliche Wut langsam an ihrer Neugier zerbröselte wie ein trockenes Brötchen an einer Küchenreibe. Denn obwohl sie es sich nie eingestanden hätte: auch sie hätte gern gewusst, wie die Frau, für die Raphael diesen ganzen Aufwand betrieb, aussah. Und wie der Abend verlief. Allerdings hätte sie sich nicht getraut, allein hier auf der Lauer zu liegen.
Anne grinste. »Falls wir entdeckt werden, kannst du dich gern damit rausreden, dass ich dich gezwungen habe.«
»Also gut.« Luise durchsuchte das Handschuhfach nach Lakritz oder Gummibärchen. »Sie sollte seit zwei
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