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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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flache, unbequem aussehende Sitzbänke aufgereiht waren. Die andere Seite, links von Standish, wurde von einer Reihe gewaltiger Fenster gesäumt, die Ausblick in die schwarze Nacht boten. Ein gutes Stück entfernt konnte Standish die erleuchteten Fenster eines anderen großen Hauses sehen. Dann wurde ihm klar, daß das andere Haus ein weiterer Flügel von Esswood war, den er über den Innenhof hinweg sah.
    »Wir sind fast da, Mr. Standish. Dies ist die innere Galerie, so genannt, weil es noch eine andere Galerie gibt, die Westgalerie im zweiten Stock auf der Vorderseite des Hauses. Die Westgalerie wurde um siebzehnhundertdreißig gebaut, als Sir Walton Seneschal Esswoods Fassade im palladianischen Stil erneuern ließ.«
    Palladianisch , dachte Standish. Das war das Wort, an das er sich nicht erinnern konnte. Plötzlich fiel ihm wieder ein, wie er das Licht gesehen hatte, wie eine Taschenlampe oder Kerze, das hinter den Fenstern vorbeiglitt, als er sich dem Haus genähert hatte.
    »Die Galerie liegt im zweiten Stock?« fragte er.
    »Beide, ja.«
    Sie schritten langsam den langen Raum mit den Fenstern hinab.
    »Und ich bin im zweiten Stock eingetreten, am oberen Ende der Treppe?«
    Sie blieb stehen. »Aber nein - Sie sind im ersten Stock eingetreten. Darunter ist das Erdgeschoß. Amerikaner brauchen immer eine Weile, bis sie unser System begriffen haben.« Sie ging weiter an den großen, dunklen Fenstern vorbei.
    Vielleicht hatte er sich geirrt, dachte er. »Und Sie sind nicht mit einer Kerze oder so etwas wie einer Kerze an den vorderen Fenstern vorbeigegangen, als Sie mich kommen hörten?«
    Sie blieb wieder stehen und sah ihn auf eine Art und Weise an, die fast angespannt vor Nervosität wirkte. Dann wurde ihr Gesicht entspannter. »Wollen Sie mich reizen?«
    Und da war sie wieder, diese Andeutung einer unterschwelligen Frivolität unter der Oberfläche ihrer Manieren.
    »Ich glaube nicht, daß ich wüßte, wie ich Sie reizen sollte«, sagte Standish.
    Die Frivolität verschwand so schlagartig, daß Standish sich fragte, ob er sie sich nur eingebildet hatte. »Ich meinte, ich hätte jemand gesehen, der mit einer Lampe an den Fenstern im ersten Stock vorbeiging.«
    Ihr Gesicht wurde zu einer Maske vorsätzlicher Ausdruckslosigkeit. »Ich nehme an, das könnte Mrs. Seneschal gewesen sein.« Sie ging einen Schritt vor ihm die Galerie entlang. Also war sie nicht Mrs. Seneschal.
    »Wir sind da«, sagte sie und öffnete eine Intarsientür am Ende der Galerie. »Es wurde alles für Sie vorbereitet. Ihre Taschen müßten jeden Moment hier sein. Sobald Sie bereit sind, erwartet Mr. Wall Sie im Eßzimmer. Sie erreichen es, indem Sie ins Erdgeschoß zurückkehren, sich an der Haupttreppe rechts halten und dann schnurgerade durch den Westsaal gehen. Oder Sie nehmen die Hintertreppe von Ihrem Zimmer zur Bibliothek, gehen an der Bibliothek vorbei und wenden sich im Flur immer nach links, bis Sie zu der Doppeltür kommen - das ist das Eßzimmer.«
    »Prima.«
    Sie wich zurück, statt ihn in das Zimmer zu führen, wie er gehofft hatte. Damit sie nicht wegging, fragte er: »Demnach sind die Seneschals zu Hause?«
    Sie nickte. »Sie sind selten anderswo. Sie selbst ist Invalide und verläßt den Familienflügel nur selten. Natürlich sind sie beide ziemlich alt.«
    »Haben sie keine Kinder?«
    Ihr außergewöhnliches Gesicht zuckte, als wäre er diesmal wirklich zu weit gegangen; sie gestikulierte zu der halb offenen Tür der Springbrunnenzimmer. »Lassen Sie den armen Mr. Wall nicht zu lange warten - er wird außer sich vor Erleichterung sein, wenn er Sie sieht. So außer sich wie Sie, wenn Sie Ihr Abendessen sehen, könnte ich mir denken.«
    »Ich freue mich darauf, beide zu sehen. Und auch auf ein Wiedersehen mit Ihnen.« Sie warf ihm einen kurzen Blick ihrer großen, intelligenten Augen zu, den er als humorvolle Anerkennung deutete, dann entfernte sie sich.
    Standish trat durch die Tür ins Springbrunnenzimmer, drehte sich um und sah ihr nach. Ihm wurde klar, daß er ihren Namen immer noch nicht kannte. Er konnte ihr nicht nachrufen - in Esswood konnte er nicht laut werden. Sie machte die Tür am anderen Ende der Galerie auf und ging hinaus.

    Seine Zimmer entsprachen, als er sie einer Begutachtung unterzogen hatte, nicht ganz seinen Erwartungen. Der Prunk im Rest des Hauses und der Name »Springbrunnenzimmer«, der dem eines verschwenderischen Hotels in Las Vegas entsprach, hatten Standish luxuriöse Extravaganz erwarten lassen:

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