Esswood House
Kofferraum wieder zumachte. Dann hob er sie hoch und stapfte zu der Treppe.
Jemand im Haus hörte die gedämpften, polternden Geräusche, die er machte, als er sich der Tür näherte. Ein Licht wanderte an der Reihe der dunklen Fenster an der Vorderseite des Hauses entlang Richtung Tür. Standish fragte sich, ob ein Dienstmädchen mit einer Kerze zum Haupteingang von Esswood eilte, wie es vor Jahrhunderten gewesen wäre. Gibt es überhaupt noch Dienstmädchen? fragte er sich und überlegte dann, ob er den Haupteingang nehmen sollte. Es mußte einen Eingang auf Bodenhöhe geben, möglicherweise neben der Treppe oder an der Seite des Hauses, wo er die Spaliere eines Laubengangs gesehen hatte. Er wuchtete die Koffer noch ein paar Stufen hinauf und sah das Licht vom letzten Fenster links neben der Tür verschwinden. Standish quälte sich noch ein paar Stufen hoch. Jetzt hörte er Stimmen aus dem Inneren dringen. Er grunzte und zerrte die beiden großen Koffer auf die Terrasse am oberen Ende der Treppe. Die massive, verschnörkelte Tür ging mit einer Explosion von Licht und Farben auf, eine Frau im maßgeschneiderten grauen Nadelstreifenkostüm mit einem engen Rock wich lächelnd einen Schritt zurück und begrüßte ihn. Sie schien in seinem Alter oder ein wenig älter zu sein, hatte langes, lose hochgestecktes Haar und ein intelligentes, raubvogelartiges Gesicht mit strahlenden, lebhaften Augen. Sie entsprach nicht einmal annähernd Standishs Vorstellung von einer Dienstmagd.
Nervosität und Überraschung brachten ihn aus der Fassung. »Ist das die richtige Tür? Ist das der richtige Ort?« sagte er.
»Mr. Standish«, sagte die Frau. Ihre Stimme klang herzlich und beruhigend. »Wir haben uns schon gefragt, wo Sie stecken. Bitte treten Sie ein.«
Seine Liebe zu Esswood loderte ein wenig heller auf.
»Auch ich habe mich gefragt, wo ich stecke«, sagte er und glaubte, ein billigendes Leuchten in ihren lebhaften Augen zu sehen. Dann vermasselte er es. »Kommen sie hier alle herein? Ist das die richtige Tür?« Sie nickte und lächelte jetzt über seine Schwerfälligkeit, nicht über seinen Esprit, und er hievte die schweren Koffer über die Schwelle. Auch sie kamen ihm schwerfällig vor. Alles im Inneren wirkte außerordentlich hell - das Lächeln der Frau, das Funkeln von Spiegeln und polierten Bodendielen und Messing und schweren Stoffen. »Sie haben keine Kerze«, sagte er.
»Großbritannien ist nicht so altmodisch, Mr. Standish. Wissen Sie, Sie hätten Ihre Taschen nicht selbst tragen müssen. Wir haben hier ein paar junge Burschen, die unseren Gästen das Leben erleichtern. Ich sorge unverzüglich dafür, daß jemand Ihr Gepäck auf Ihr Zimmer bringt, und Sie möchten nach der Reise bestimmt ein wenig ausruhen. Danach sehen wir uns im Eßzimmer. Mr. Wall kann es kaum erwarten.« Jetzt drückte das strahlende Lächeln wieder Herzlichkeit aus. »Sie müssen ausgehungert sein, Sie armer Kerl.«
Standish fragte sich, ob auch nur die geringste Chance bestand, daß diese Frau ihn heiraten würde. Dabei kannte er nicht einmal ihren Namen.
»Ich nehme an, es ist nichts mehr im Auto?«
Sie erwartete eindeutig, daß er nein sagen würde. Das Leuchten in ihren Augen sagte ihm, daß er zu viele Kleidungsstücke mitgebracht hatte und sie die beiden schweren, prall gefüllten Taschen als einen Witz betrachtete, den er sicher verstehen würde. Er wünschte sich, daß das Auto und alles darin in der Einfahrt versinken und in einer anderen Dimension verschwinden würde.
»Ich glaube, ich habe eine Menge Sachen mitgebracht«, sagte er. »Ich mußte einiges im Auto lassen.«
»Wir holen sie für Sie. Sie sollen sich auf keinen Fall den Rücken ausrenken, bevor Sie überhaupt mit Ihrer Arbeit anfangen.«
Sie lächelte, als würde sie ihm sein unerfahrenes Kofferpacken nachsehen, und wandte sich ab, um ihn zu seinem Zimmer zu führen. Standish blieb nach einigen Schritten stehen. Sie zögerte und sah zu ihm zurück. Er zeigte auf seine lächerlich schweren und vollgestopften Koffer, die wie Eindringlinge in der polierten Diele standen. »Für sie wird gesorgt«, sagte sie. »Für alles wird gesorgt. Sie gewöhnen sich an unsere Art, Mr. Standish. Das ist bei den meisten Gästen so.«
Er folgte ihr durch die Diele, bei der es sich, wie er jetzt sah, um einen abgeteilten, von großen Gobelins gesäumten Durchgang handelte. Zwischen diesen Gobelins konnte er in einen Raum, so groß wie ein Ballsaal sehen, wo man farbenfroh
Weitere Kostenlose Bücher