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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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gepolsterte Möbelstücke vor einem hohen gemauerten Kamin mit ionischen Säulen unter einem Fresko mit Meerjungfrauen und Traubendolden und Rundbögen aufgestellt hatte. Große, düstere Gemälde mit Jägern, Kindern und Pferden hingen an den Holzpanelen der Wände, dazwischen enorme Geweihe. Als Standish abermals zu einer der Öffnungen zwischen den Raumteilern kam, sah er eine verschnörkelte Galerie, die auf der anderen Seite des Raums verlief. Gekrümmte Holzbalken und Bögen überschatteten diese Galerie.
    »Das ist der Ostsaal, der älteste Teil des Hauses«, sagte die Frau und sah ihn an. »Natürlich elisabethanisch.«
    »Oh, gewiß«, sagte Standish.
    Sie kamen zum Ende des abgeteilten Durchgangs und gingen nach links zu einer Treppe, die fast so breit zu sein schien wie die Treppe vor dem Haus. Porträts von Adligen des achtzehnten Jahrhunderts, die meisten hoch zu Roß, glommen düster auf beiden Seiten des Treppenhauses, das sich oben in zwei kleinere, geschwungene Treppen teilte. Standishs Führerin ging die Treppe hinauf und er folgte ihr.
    »Leider sind das nicht die einzigen Treppen, aber Sie wohnen direkt über der Bibliothek in den Springbrunnenzimmern. Dort bringen wir unsere gelehrten Gäste immer unter, und es schien ihnen dort stets sehr gut zu gefallen.«
    »Gibt es wirklich einen Springbrunnen?«
    »Im Innenhof, nicht im Zimmer, Mr. Standish.« Sie wandte sich zur linken Treppenflucht und lächelte ihm wieder über die Schulter zu. »Von Ihrem Zimmer haben Sie eine vorzügliche Aussicht auf den Innenhof.«
    Eine Frage, die ihn schon in Zenith beschäftigt hatte, fiel ihm wieder ein.
    »Bin ich der einzige? Ich meine, arbeiten nicht gerade noch andere Leute in der Bibliothek?«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte sie, warf ihm einen strengen, fragenden Blick zu und machte endlich eine Pause, damit er zu ihr aufschließen konnte. »Ich dachte, Sie wüßten es. Entschuldigen Sie. Ich habe ganz vergessen, daß Sie noch nie hiergewesen sind. Wir laden niemals mehr als einen einzigen Gast ein, der die Bibliothek in einem bestimmten Zeitraum benutzen darf. Recherchen sind offenkundig eine sehr individuelle Aktivität, denke ich, und ich glaube, wir wollten stets, daß unsere Besucher Esswood uneingeschränkt nutzen können. Wir möchten nicht, daß zwei Leute sich mit denselben Dokumenten befassen wollen - Ihre Arbeit ist doch sehr intimer Natur, nicht wahr? Sie mit anderen zu teilen wäre, als würde man eine, ach, ich weiß auch nicht, eine Zahnbürste teilen, ein Handtuch oder -«
    Ein Bett , dachte Standish.
    »Nun ja«, sagte sie. Ihre Augen leuchteten. »Wie auch immer, ja, Sie sind der einzige. Sie haben drei Wochen, die Esswood Ihnen ganz allein gehört, besonders die Unterlagen in der Bibliothek. Sozusagen.«
    »Meinen Sie, ich könnte eine Woche Verlängerung bekommen, falls es nötig sein sollte?«
    »Das müßte machbar sein. Wir sind fast da.«
    Sie gingen die schmalere Seitentreppe nebeneinander hoch und sie lächelte zu ihm auf.
    »Die Springbrunnenzimmer befinden sich gleich da vorn hinter der inneren Galerie. Und die innere Galerie liegt gleich hinter diesem -«
    Sie öffnete eine Tür am oberen Ende der Treppe und führte ihn in einen Raum oder Durchgang, wo es nach der funkelnden Pracht bei seiner Begrüßung in dem Haus so dunkel wie in einem Kino zu sein schien. Das dunkle Zimmer, das etwa so groß war wie sein und Jeans gemeinsames Schlafzimmer in Zenith, wirkte ungemütlich beengt und mit Möbeln vollgestopft. »Das Licht hier flackert. Muß nachgesehen werden. Dies ist ein Arbeitszimmer, das nicht mehr oft benutzt wird.« Im Halbdunkel sah Standish schwere Stühle und Ottomanen und vage, schattenhafte Reihen von Büchern an den Wänden. Die schemenhafte, undeutliche Frau bewegte sich wie ein verschwommener Fleck vor seinen Augen, verschmolz fast bis zur Unsichtbarkeit mit dem Zimmer und riß schließlich am anderen Ende eine weitere Tür auf. Sie schritt hindurch in ein Rechteck aus gelbem Licht.
    Standish kam sich vor, als verfolge er sie.
    Er platzte in das nächste, hellere Zimmer und rechnete halb damit, daß sie vor ihm einen Flur entlanggehen würde. Aber sie wartete etwa sechs Schritte entfernt in einem Raum mit hoher Decke, der zu breit für einen Korridor und zu lang und schmal für ein Zimmer war, auf ihn. Eine Seite dieses eigentümlichen, museumsartigen Raums war karg mit großen Gemälden von Pferden, Hunden und Segelschiffen auf hoher See geschmückt, unter denen

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