Esswood House
Anzüge und Jacketts und Hosen hingen auf dem Gestell, seine Schuhe standen aufgereiht darunter, seine Krawatten in einem Krawattenhalter. Auf den Kaminsims hatte man eine Vase mit frischen blauen Iris gestellt, auf den Nachttisch eine Karaffe mit Brandy und einen Schwenker.
Standish zog ein sauberes Hemd, eine neue Krawatte und einen Blazer vom Gestell an. Die Schuhe tauschte er gegen ein Paar polierter Slipper. Die Spiegeltür verriet ihm, daß er wieder wie ein achtbarer junger Gelehrter aussah. Er goß ein klein wenig Brandy in den Schwenker und trank ihn, ohne etwas zu schmecken. Ihm war schwindelig vor Hunger und er entschied, daß sich der rückwärtige Weg zum Eßzimmer kürzer anhörte als der durch die Galerie, das dunkle kleine Arbeitszimmer und die Treppe hinunter. Er schritt zu der hohen, dunklen Tür und öffnete sie zaghaft.
KAPITEL VIER
Auf der anderen Seite befanden sich ein kahler Treppenabsatz aus glanzlosem Holz und eine Flucht schmaler Stufen, die an einem Fenster in einem Erker vorbei nach unten führten und dann auf eine Weise, die Standish fast heimlichtuerisch erschien, weiter abwärts gewendelt verliefen. Schwache Glühbirnen in alten Gasleuchtern sorgten für eine trübe, aber gleichmäßige Beleuchtung auf der Treppe. Standish überquerte den Treppenabsatz und ging die Wendeltreppe hinunter.
Nach der dritten oder vierten Krümmung der Treppe sah er hinauf, von wo er gekommen war, konnte aber nur die glatte Haut der Wände und die nackte, steile Spirale der Stufen erkennen. Er fragte sich, ob er den Ausgang zum ersten Stock irgendwie übersehen hatte und in die Waschküche oder das Verließ, oder was immer sie hier im Keller hatten, hinabstieg. Dann erinnerte er sich, wie hoch der Saal mit dem enormen gemauerten Kamin gewesen war, den er zwischen den Gobelins gesehen hatte, und ging weiter nach unten. Eine Reihe von Wendungen später kam er zu einer Stelle, wo die Glühbirnen ausgebrannt waren, und ging sehr langsam weiter, wobei er sich auf beiden Seiten mit den Händen an den Wänden abstützte. Standish rechnete damit, daß er nach der nächsten Krümmung ins Licht kommen würde, doch die Dunkelheit hielt an. Er tastete sich weitere acht oder neun Stufen durch die Finsternis. Als die Treppe eine neuerliche Krümmung machte, fiel Licht von unten auf die Außenwand, und nach einigen weiteren Schritten konnte Standish sehen, daß die Stufen ins Licht führten. Seine Hände und die Ärmel seines Blazers waren grau von Spinnweben.
Eine kurze Weile später sah er das Ende der Treppe unter sich. Ein gefliester Korridor, der ebenfalls von umgebauten Gaslichtern erhellt wurde, führte zu einer hohen, schmalen Tür, die identisch mit der in seinem Schlafzimmer war. Das mußte die Tür zur Bibliothek gewesen sein. Standish kam die letzten Stufen herunter, schritt den Flur entlang und blieb vor der Tür stehen. Er verspürte fast so etwas wie Schuldgefühle, als er die Hand auf den runden Messingknauf legte. Standish schaute seitlich den Korridor hinab, der so einsam und verlassen wie die Gesindetreppe war. Nach allem, was er am heutigen Tag durchgemacht hatte, würde ihm niemand eine kleine Freude verübeln. Er war eingeladen worden, die Bibliothek zu benutzen; und Isobel hatte einen großen Teil ihrer Verse hinter dieser Tür geschrieben. D. H. Lawrence hatte in dieser Bibliothek über eine frühe Fassung von The Rainbow meditiert, T. S. Eliot und Ezra Pound hatten die ganze Schar von Edith Seneschals Gästen unterhalten, indem sie als spontanen Wettstreit komische Verse improvisierten. Sogar Theodore Corn, Chester Ridgeleys Liebling, hatte in dem Raum jenseits dieser Tür über herbstliche Nebel und wilde Rosen nachgesonnen.
Standish drehte den Knauf und brannte so sehr darauf, die Bibliothek zu sehen, daß er ihn, da die Tür nicht aufging, abermals drehte und mehrmals hin und her rüttelte, als könnte er sie gewaltsam öffnen. Sie war verschlossen, aber warum? Um das Personal fernzuhalten? Um ihn fernzuhalten? Standish fielen die ausgebrannten Lampen im Treppenhaus wieder ein und er fragte sich, wie lange es her war, seit man den letzten Gelehrten nach Esswood eingeladen hatte. Dann fiel ihm auch wieder ein, daß der Schankwirt in Huckstall gesagt hatte, ein Amerikaner sei in Esswood ermordet worden, und er wandte sich hastig von der Tür ab.
Nach rund fünfzehn Metern erreichte er das Ende des Korridors an einer Kreuzung mit der im italienischen Stil gehaltenen Marmorstatue eines
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