Esswood House
ausbreitete.
Wall trat ein und drückte auf einen Schalter. Angenehmes, helles Licht erstrahlte in der Tür. »Kommen Sie, Mr. Standish.«
Standish folgte ihm in einen riesigen Raum, der auf den ersten Blick eine enttäuschend geringe Anzahl Bücher zu enthalten schien. Der größte Teil des Saals bestand aus enormem freiem Raum. Grellweiße korinthische Säulen mit glänzenden Blattgoldblättern oben und unten ragten vor halbrunden Erkern mit Büchern auf. Bücher waren unter klassischen Fresken in der Bibliothek aufgereiht. Fast augenblicklich wurde ihm klar, daß es hier Tausende und Abertausende Bücher gab, Bücher auf Regalen rings um den riesigen Saal herum, Bücher bis unmittelbar unter das Tonnengewölbe der Decke, das verschnörkelt wie Wedgwood-Porzellan war, Bücher und Kisten voll Manuskripte allerorten, in jedem erdenklichen Winkel des Raums. Stühle und Sofas, mit rotem Plüsch bezogen und mit vergoldeten Armlehnen, standen in Abständen an den Wänden, ein gewaltiger Stuhl befand sich vor einem Schreibtisch aus Holz in der Mitte des Saals, auf der zentralen Rosette eines apricotfarbenen Orientteppichs. Über dem Sims des Marmorkamins auf der linken Seite der Bibliothek hing das große Porträt eines im Stil des achtzehnten Jahrhunderts gekleideten Gentlemans mit einer weißen Perücke, der von einem Folianten auf dem Schreibtisch der Bibliothek aufschaute. Die Wände der Bibliothek und den Teil der hohen Gewölbedecke, der nicht mit verschnörkelten Stuckpalmetten, Ähren, Arabesken und Schriftrollen bedeckt war, hatte man in einem kühlen, beruhigenden Farbton bemalt, der zwischen Grün und Grau changierte, eine gedämpfte, fast genießerische Farbe, die von innen zu leuchten schien und zart wie eine Eierschale wirkte. Der gesamte ungeheure Raum der Bibliothek war von einem strahlenden Licht erfüllt, das aus keiner ersichtlichen Quelle kam. Standish hatte einen großen Teil seines Lebens in Bibliotheken verbracht, aber nie so eine wie diese gesehen. Er fragte sich, ob er sie überhaupt unbefangen betreten konnte - sie schien zu gut zu sein, sie zu benutzen, wie ein kompliziertes Aufziehspielzeug oder ein Fabergé-Ei. Er wußte, daß er noch niemals einen so wunderschönen Raum wie die Bibliothek von Esswood gesehen hatte; diejenigen, die ihrer Schönheit nahe kamen, hatte er lediglich hinter Samtvorhängen zu Gesicht bekommen.
»Ziemlich gut, was?« Robert Wall lehnte an einer der Säulen und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. »Es ist natürlich ein Raum von Robert Adam. Einer seiner gelungensten, finden wir.«
»Woraus sind diese Säulen gemacht? Ich dachte, sie wären lackiert, aber -«
»Alabaster. Atemberaubend, nicht? So schön wie alles in Saltram House. Sie wirken wie frisch gestrichen, bis man die feinen Äderchen im Gestein sieht.« Man sah seinem vielschichtigen Gesicht an, daß er voll und ganz begriff, was Standish gerade empfand.
Wall stieß sich ab und richtete sich auf. »Jetzt muß ich Sie durch den Haupteingang und zur Treppe hinauf führen. Es ist ein bißchen spät, um durch den Gesindekorridor zu schleichen. Obwohl ich wohl sagen darf, daß der Gesindekorridor in alten Zeiten eine Menge verstohlenes Herumschleichen gesehen hat.«
Standish lächelte, bevor er begriff, was Wall meinte. Er folgte Wall durch einen Bogen zwischen zwei der Alabastersäulen, dann durch zwei mit komplexen Schnitzereien verzierte Türflügel in einen weiteren enormen und hohen Raum, der nach der Bibliothek kalt und museumsgleich wirkte.
Vor ihnen, auf der anderen Seite eines dunklen Teppichs und zwischen einer Doppelreihe steifer Stühle, Soldaten gleich, befand sich eine weitere geschnitzte Doppeltür.
»Von hier kommt man zum Eßzimmer«, sagte Wall und zeigte zu der gegenüberliegenden Tür, »und die Haupttreppe, die zur inneren Galerie und den Springbrunnenzimmern führt, befindet sich unmittelbar vor Ihnen.
Also dann, auf ein baldiges Wiedersehen«, sagte Wall. »Um Ihr Auto kümmern wir uns morgen. Denken Sie nicht mehr daran.«
Die beiden Männer schritten das Spalier der soldatengleichen Stühle ab.
»Ich frage mich, was aus diesem Anwesen wird, wenn Ediths Kinder sterben. Wer erbt es?«
»Ich fürchte, darauf gibt es keine angemessene Antwort.«
»Was soll das heißen? Daß Sie es mir nicht sagen können?«
Anstatt zu antworten, machte Wall die Tür am anderen Ende des ungemütlichen Raums auf und wartete, bis Standish hinausging. Einen Moment erinnerte er Standish an den
Weitere Kostenlose Bücher