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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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Vernichtungsmaschine ihnen allen das Lebenslicht auspusten. Daran war nichts Persönliches, denn es war wie ein Geschäft: wie das Umschichten von Blättern von einem Stapel auf einen anderen.
    Der Mann am Schreibtisch sah auf und brummte etwas Einsilbiges. Eine der Wachen richtete sich auf, ging zu der Gruppe der Gefangenen und packte einen Mann am Ellbogen. Der Gefangene stand ohne Widerworte auf und ließ sich zu der Tür ziehen. Niemand außer Standish sah zu. Die Wache machte die Tür auf und übergab den Gefangenen fast zärtlich dem anderen, der den dunklen Mantel und die Pelzmütze trug. Diese Wache zog den Gefangenen in den Schnee, die Tür fiel ins Schloß.
    Standish wußte, daß der Gefangene geköpft werden sollte. Irgendwo außerhalb seines Gesichtsfelds standen ein Klotz aus Holz und ein Korb, in den der abgeschlagene Kopf fiel.
    Er sah zur Tür und wußte, daß eine der Wachen ihn erschießen würde, wenn er den Türknauf auch nur berührte.
    Standish ging unter den Augen der Wachen in der Mitte des enormen Raums auf und ab. Manche der anderen Gefangenen gingen ebenfalls ziellos in dem Raum hin und her, aber Standish vermied es, sie genauer anzusehen. Einige Männer saßen mit hängenden Schultern auf dem Boden, einige hatten sich auf den Dielen zusammengerollt, als schliefen sie, und verbargen die Gesichter in den Händen oder den angewinkelten Ellbogen. Standish wollte ihre Gesichter nicht sehen. Wenn man eines der Gesichter sah -
    - dann sah man es von dem Klotz kullern, Augen und Mund offen, das Gehirn noch bei Bewußtsein, noch aufnahmefähig und reagierend, sah den Schock, das schreckliche Wissen ...
    Standish ging auf, daß er nicht träumte. Irgendwie war er in dieses gräßliche Land gelangt, gefangengenommen, zum Tode verurteilt und mit diesen erniedrigten Männern zu diesem eisigen Außenposten abtransportiert worden. Er sah sich panisch um, und die beiden Wächter in seiner unmittelbaren Nähe beobachteten ihn eingehend. Standish zwang sich, langsam zu einer Wand der Blockhütte zu gehen. Er drückte die Hände an die Wand. Die Bretter waren kalt, ein geschwinder, kontinuierlicher kühler Luftzug strömte zwischen den Ritzen in den Raum.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch rief einen weiteren unverständlichen Namen, und in der nuschelnden Silbenfolge hörte Standish nur ein st und sh . Sein Blut wurde dünnflüssig. Eine träge Wache stieß sich von der Wand ab und kam auf ihn zu. Standish konnte sich nicht bewegen. Die Wache kam näher und sah ihn ausdruckslos an. Standish machte den Mund auf, konnte aber keine Worte formen. Er sah große schwarze Poren in dem steinernen Gesicht der Wache und eine lange weiße Narbe, schmollend wie ein vertikaler Kuß, die vom rechten Auge bis zur Mitte der Wange verlief.
    Die Wache ging an Standish vorbei und packte einen Mann im grauen Pyjama direkt hinter ihm am Oberarm. Die Wache setzte sich zur Tür in Bewegung und zerrte den Mann mit sich. Als sie an Standish vorbeikamen, hob der Gefangene einen Moment den Kopf und sah Standish direkt ins Gesicht. Seine Augen waren schwarz und stumpf und flach wie Kieselsteine. Standish trat zurück und die Wache zog den Gefangenen durch den Raum.
    Standish drehte sich um und sah ein Baby auf einer Decke liegen, die auf einem kleinen Tisch an der Wand gegenüber zusammengelegt worden war. Das Baby hob ruckartig die Hände zum Gesicht, dann erstarrte es. Das Baby ließ die Hände langsam, als wäre es unter Wasser, wieder an die Seiten sinken. Es war ein neugeborenes Baby mit rotem Gesicht, nur wenige Tage alt. Es trug derbe Babysachen aus demselben Material wie die Pyjamas der Gefangenen. Das Baby schien nach Luft zu schnappen. Standish machte einen Schritt vorwärts, das Baby hob verkrampft die Hände zum Kopf. Aufgedunsene, geschwollene Hautlappen verdeckten die Augen des Babys.
    Eine der Wachen rief Standish etwas zu. Er blieb stehen und zeigte auf das Baby.
    »Ich möchte es nehmen«, sagte er. »Was kann daran falsch sein?«
    Sämtliche Bewegungen in dem Raum kamen zum Stillstand; sogar die Wachen und der todgeweihte Mann an der offenen Tür sahen Standish an.
    Eine aufgebrachte Wache trat mit erhobenem Gewehr vor.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch legte das Blatt Papier in seiner Hand behutsam auf eine neutrale Stelle seines Schreibtischs und stieß eine kurze Folge einsilbiger Laute aus, worauf die Wache das Gewehr sinken ließ und wieder zur Wand zurückwich. Standish schluckte.
    Der Beamte drehte langsam den

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