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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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College?«
    Standish sah ihn mit scheinbar aufrichtigem Erstaunen an. »Eine Unklarheit?« Augenblicke später betrachtete er die Objekte in seinen Händen. Er strich nachdenklich Marmelade auf den Toast.
    »Bestimmt nichts, das Ihnen Anlaß zur Sorge geben müßte, Mr. Standish, denn andernfalls wären Sie heute nicht hier. Aber - ich begehe sicher keinen Vertrauensbruch, wenn ich sage, wir erhielten Hinweise auf eine Art von Konflikt, allerdings schien uns nichts je wirklich besorgniserregend zu sein.«
    »Popham ist ein sehr kleines College«, sagte Standish. »Ein kleines College ist wie ein Dorf. Besonders die Englischfakultät eines kleinen Colleges. Es wird unglaublich geklatscht und getratscht. Als ich dort eintraf, sprachen die Leute tatsächlich immer noch über etwas, das sich dreißig Jahre zuvor zwischen einer Studentin und einem Englischprofessor namens Chester -«
    »Ich verstehe«, sagte Wall und lächelte ihm zu.
    »Eigentlich ist alles ganz einfach. Ich sah alles ein klein wenig klarer als der Rest der Fakultät. Es war offenkundig, daß die meisten anderen Mitglieder der Fakultät mich ablehnten. Besonders ein Mann, ein falscher Freund, verhielt sich unsäglich. Natürlich kam es nicht zu einem Skandal -«
    »Nein«, sagte Wall.
    »- aber es wurde doch immer deutlicher, daß Popham und William Standish nicht füreinander geschaffen waren.«
    »Sie waren eifersüchtig auf Sie?«
    »Richtig. Es war nichts Schlimmes, nur irgendwie unangenehm, und nach einer Weile sahen wir alle ein, daß ich anderswo glücklicher wäre. Ich glaube, ich versuche immer noch, den richtigen Platz für mich zu finden. Zenith ist gut und schön, aber ich kann nicht den Rest meines Lebens dort verbringen.«
    Wall sah aus, als wäre es ihm peinlich, daß er das Thema überhaupt angesprochen hatte. »Ja, ich verstehe«, sagte er und löste geschickt das Fleisch des geräucherten Kippers von den zaunlattenartigen Gräten. Eine Zeitlang aßen die beiden Männer ihre jeweiligen Mahlzeiten schweigend. Als Standish aufschaute und feststellte, daß Wall ihn ansah, schlug er sofort die Augen nieder.
    »Ja«, sagte Wall. »Es ist nicht wichtig.«
    »Ich denke nicht, daß es das ist.« Standish verspürte einen Anflug hitzköpfiger Ungeduld, und den Anflug einer Erinnerung - wie er im Sommer mit einem Burberry und Hut bekleidet auf einer Straße stand und aufschaute. »Ich könnte viel mehr sagen, wissen Sie, finde aber nicht -«
    »Ich auch nicht«, sagte Wall, worauf die beiden Männer in einer Stille, die Standish auf das Taktgefühl des anderen Mannes zurückführte, ihr Frühstück beendeten.
    »Heute fangen Sie also an«, sagte Wall, als sie vom Tisch aufstanden.
    Sie gingen nebeneinander durch die großen Zimmer.
    Wall machte die Tür der Bibliothek auf; beide Männer blieben einen Moment schweigend am Eingang stehen. Morgenlicht fiel in die Bibliothek, genau wie in Standishs Schlafzimmer. Im Sonnenlicht wirkten Glanz und Pracht der vergoldeten Säulen und Möbel wie neu, der lange Teppich schien zu leuchten. Standish hörte sich seufzen.
    »Ich weiß«, sagte Wall. »Ich empfinde jedesmal so, wenn ich es sehe.«
    Durch ein Fenster zwischen Bücherschränken am anderen Ende der Bibliothek konnte Standish Esswoods Terrassen in grüne, dunstige Ferne abfallen sehen. Baumhaine, die aussahen, als wären sie von John Constable gemalt worden, neigten sich am Ende der Terrassen dem Teich entgegen. Alles, Gras, Bäume und Teich, sah aus, als wäre es gerade eben geboren worden. Auf einem fernen Hügel drehte sich eine Windmühle wie in Zeitlupe.
    »Isobel wurde nie richtig ernst genommen«, sagte Wall. »Sie sind überzeugt, daß sie eine erstklassige Dichterin war, nicht? Sie war mehr als nur ein normaler Gast hier, müssen Sie wissen.«
    Standish drehte sich um und sah ihn an; der größere Mann wich zur Seite.
    »Vielleicht ist dies nicht der richtige Zeitpunkt für diese Diskussion«, sagte Wall. »Lassen Sie mich Ihnen zeigen, wo wir Isobel Standishs Material aufbewahren.«
    Standish war überrascht, wie sehr er sich wünschte, er würde in Ruhe gelassen. Wall hatte ihn zweimal beleidigt, verhohlen und mit ironischen, britischen guten Manieren.
    »Es ist im ersten Erker, geradeaus durch und dann rechts.« Er zögerte, als hätte Standishs plötzliche abweisende Kälte ihn verwirrt. Der »hungrige« Gesichtsausdruck war ihm wieder ganz deutlich anzusehen. »Nun denn. Dann bleibt mir wohl nichts anderes mehr, als Ihnen viel Glück

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