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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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Zahl 142. Wenn man sie eingehend betrachtete, wurde die Handschrift auf den Seiten nur ein ganz klein wenig leserlicher. Standish entzifferte die Worte Ich , Projekt , unmöglich . Eine weitere Abfolge von dichten Krakeln lösten sich zu Unsterblichkeit auf.
    Einen Augenblick fühlte sich Standish, als hätte eine unsichtbare Hand seinen Kopf ergriffen und leicht, aber spürbar zugedrückt.
    Es ist grausam , las er unten auf der Seite. Die nachfolgenden Worte wurden lesbar. Es ist grausam, das Abkommen, das wir mit dem Land schließen. Zu grausam, aber ist nicht auch die Ewigkeit grausam, die Unsterblichkeit und die Kunst? Ist man erst auserwählt, so kann man sich ihm ebenso wenig entziehen, wie man sich den Körperfunktionen entziehen kann. Dann verschwamm die Handschrift erneut zu Hieroglyphen und Krakeln.
    Das Land? Ich?
    Er sortierte die zwanzig Seiten in seiner Hand systematisch und trennte sie nach Prosa, Dichtung oder unbestimmbar. Isobels Handschrift und ihre Angewohnheit, so viele Worte wie möglich auf jedem Zentimeter einer Seite unterzubringen, machte es häufig schwierig, die Gedichte von dem zu unterscheiden, was als Prosa gedacht gewesen war - oder, eine Möglichkeit, mit der Standish hoffentlich nie konfrontiert werden würde, als Gedichte in Prosa. Dann hievte er unter viel Grunzen und Ächzen die schwere Kiste von der Tischplatte hoch und bückte sich, damit er sie auf den Boden stellen konnte. Er griff hinein und holte eine dicke Handvoll Papiere daraus hervor. Auch diese sortierte er nach seinem Schema.
    Nach einer gewissen Zeit stellte Standish fest, daß die Seiten mit eindeutiger Prosa fast immer numeriert waren. Die Seiten mit Dichtung enthielten niemals Seitenzahlen, allerdings fanden sich manchmal rätselhafte andere Markierungen darauf.
    Der Karton enthielt möglicherweise bis zu achthundert lose Blätter und einen Schnellhefter. Als Standish fast hundert Seiten durchgeblättert hatte, nahm er den Hefter aus dem Karton. Darin hätte sich ein leicht einzuordnendes Objekt befinden müssen, eine Zyklus von Gedichten oder der Entwurf einer Geschichte. Er schlug den Hefter auf. Die erste Seite trug die Initialen B. P., darunter hatte Isobel ihre eigenen Initialen geschrieben, I. S. B. P. , von Isobel Standish? Ein Roman? Die nächste Seite brachte eine Enttäuschung, denn sie war mit 65 numeriert und nicht klarer und deutlicher als die anderen, dicht beschriebenen Prosaseiten in dem Karton.
    Standish sortierte die Papiere in dem Karton, bis sein Magen knurrte. Als er aufschaute, schien nachmittägliches Licht durch die Fenster der Bibliothek. Standish sah auf die Armbanduhr und stellte fest, daß es fast zwei Uhr nachmittags war. Er hatte wieder Hunger.
    Auf dem Schreibtisch verteilte sich Isobel Standishs winzige, dichte, unleserliche Schrift über die Seiten wie eine Substanz, die, möglicherweise von einem erbosten Gott geschleudert, von der Decke heruntergefallen und in eine Million gnomenhafte Bruchstücke zerschellt war. Das könnte seinen Zorn und den ausgestreckten Zeigefinger erklären - er ließ Standish wissen, daß er das gesamte Material wieder weglegen sollte.
    Standish nahm nicht den Haupteingang der Bibliothek und ging durch den Westsaal zum Eßzimmer, sondern durch den Gesindekorridor, den er mittlerweile als »seinen« Korridor betrachtete. Als er das Eßzimmer betrat, stellte er fest, daß alles für ihn vorbereitet worden war, genau wie am Abend zuvor. Eine goldene Haube hielt einen goldenen Teller warm. Goldenes Besteck lag daneben. Den einzigen Unterschied bildete die Flasche Wein, die in einem goldenen Kühler in kaltem Wasser mit kleinen Eisbrocken darin lag. Standish trank niemals Wein zum Mittagessen, aber Esswoods unsichtbare Dienerschaft hatte ihn offenbar zum Weintrinker abgestempelt. Er ging zu seinem Stuhl und zog die tropfende Flasche halb aus dem Kühler heraus. Puligny Montrachet 1972. Das war vermutlich ein ziemlich erlesenes Getränk. Er hob die Abdeckung von dem Teller und fand darunter Kalbslende mit Morchelsoße, die ebenso verlockend duftete wie am Vorabend.
    Standish streckte die Hand nach der Gabel aus und sah einen Zettel unter dem Weinglas.

    Mr. Standish,
    möglicherweise muß ich Esswood länger als erwartet fernbleiben. Wenn Sie feststellen sollten, daß Sie in meiner Abwesenheit etwas benötigen, lassen Sie eine Liste der erforderlichen Dinge vor der Tür der Bibliothek liegen. Ihre Wünsche werden ausnahmslos erfüllt werden. Andere Gäste haben

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