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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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die erste davon passierte, sah er, daß der Raum dahinter vollgestopft war mit staubigen, abgenutzten Stofftigern und staubigen Plüschhunden. Er ging den Weg, über den er gestern morgen den Keller verlassen hatte, rückwärts. Alle Türen, die er aufgerissen hatte, waren nach wie vor offen - hier waren alle Räume, voller Wiegen und Laken und Kinderwagen und zerbrochenen Spielsachen, die zum Heizraum führten. Standish lief weiter.
    Kurz darauf kehrte er durch die ebenfalls offene Tür in die Zelle mit den Betonwänden und dem kleinen, abgenutzten Stuhl zurück. Auf dem Bild an der Wand schnappte der verspielte Hund nach dem verschnörkelten Rad der Kutsche. Standish ging durch die zweite offene Tür in den Raum dahinter. Er schritt an dem klobigen schwarzen Heizofen vorbei, der mit seinen Tentakeln in jede Ecke seines Gefängnisses gleichzeitig griff, zur Wand gegenüber.
    Er nahm die größte Axt von der Halterung, wog sie in der Hand, hängte sie auf die Halterung zurück und wählte die nächstkleinere. Diese fühlte sich an, als würde er nicht so leicht damit umkippen. Er trug die Axt in den Korridor zurück.
    Vom Heizraum trottete er die kurze Treppenflucht zu seinem Ziel hinauf, den beiden abgeschlossenen Türen, die er schon bei seinem ersten Besuch im Keller hatte öffnen wollen.
    Vom oberen Ende der Treppe gelangte er in einen weiteren dunklen Korridor. Hier hatte er vier verschlossene Türen vor sich. Standish ging auf die erste zu und ließ dabei seine Axt an der Seite schwingen. Das war die zweite abgeschlossene Tür, an der er es versucht hatte, daneben lag der Raum mit den bis unter die Decke gestapelten alten Zeitungen. Er drehte den Knauf. Die Tür war immer noch abgeschlossen. Standish trat einen Schritt zurück, hob die Axt über den Kopf und schwang sie gegen die Mitte der Tür.
    Die Schneide der Axt sank tief in das Holz ein. Standish zog sie heraus und schwang sie abermals. Schweiß brannte ihm in den Augen und blendete ihn. Er rieb sich die Augen mit dem Rücken seiner schmutzigen Hand und hieb die Axt wieder in die Tür. Schließlich splitterte sie und nach einigen weiteren Hieben gelang es Standish, das zersplitterte Holz in den Raum zu drücken, den Arm durch das Loch zu schieben und den Knauf auf der Innenseite zu drehen. Eine messerartige Klinge aus scharfkantigem Holz schnitt ihm in den Arm, Blut quoll munter aus der Wunde und lief an seinem Arm hinab.
    »Scheißding«, sagte Standish und machte die Tür auf.
    Er hatte große, auf einer Seite offene Puppenhäuser erwartet, damit ein Kind Zugang zu allen Zimmern hatte, aber dies waren wahrhaftig Miniatur-Esswoods in einem Maßstab, mit dem er nicht gerechnet hatte, und mit ihrem Vorbild identisch bis hin zu den Wasserflecken, die von den Ecken der Fenster ausgingen. Es waren vollständige Häuser, Puppenbungalows, die Seite an Seite standen wie Häuser in einer Vorortstraße. Hoch droben an der Wand dahinter hing, wie die Sonne an einem Vororthimmel, ein weiterer Kunstdruck des Gemäldes in seinem Wohnzimmer - der herumtollende Hund, die fahrende Kutsche. Hinter jedem dritten Fenster von rechts brannte ein trübes, vages Licht. Standish stockte der Atem in der Brust - es war genau so, als lebten drei kleine Menschen in diesen Häusern, die jeden Moment von der Arbeit nach Hause kommen würden. Er ging vorwärts und auf sie zu, und da erst sah er, daß auf dem Boden ein Durcheinander kleiner weißer Knochen herrschte - Hühnerknochen -, die so trocken waren, daß sie zerbrachen, wenn er darauf trat.
    Die Treppen vor den kleinen Häusern waren aus Marmor, vermutlich aus Italien importiert und von Handwerkern geschnitten, die überaus großzügig bezahlt und zum Stillschweigen über das, was sie gemacht hatten, verpflichtet worden waren, und die Knäufe der Eingangstüren bestanden aus echtem Messing. Standish wußte, wenn er in eines der Fenster schauen würde, dann sähe er sechzig Zentimeter lange Wandbehänge, neunzig Quadratzentimeter große Teppiche und dreißig Zentimeter hohe verschnörkelte rot-goldene Stühle. Er würde goldene Teller mit acht Zentimetern Durchmesser und goldene Gabeln, halb so lang wie sein kleiner Finger, sehen. Winzige Weingläser, die in seinen Fingern zerbrechen würden, weil sie zu zart für ihn wären. Und Betten, schliefen sie in Betten, oder hatte Edith Decken aus der weichsten Wolle für sie weben lassen? Und hatten sie nachts vor Schmerz und Entsetzen geschrien, und war Edith heruntergekommen, um sie

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