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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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Fotografien ab und sah zu dem Abfluß in der Mitte des Raums. Er fragte sich, ob Ridgeley je nach Popham zurückgekehrt war. Hatten sie ein Telegramm bekommen, in dem er seine Pensionierung mitteilte? Einen Brief, in dem er seine Absicht verkündete, daß er den Rest seines Lebens mit Recherchen über den absolut belanglosen Literaten Theodore Corn verbringen wollte?
    Ich bin sicher, Sie werden meine Aufregung im Angesicht der zahlreichen Entdeckungen hier verstehen, ebenso wie die Tatsache, daß ich meine verbleibenden Jahre nicht mit Vorlesungen vergeuden möchte, wo noch soviel zu tun bleibt -
    Standish verließ Isobels ultimativen Raum nur zögernd. Kleine Leiber wuselten hier und da im Raum mit den alten Zeitungen herum. Er beugte sich hinein und alle Bewegungen hörten auf. Standish schaute auf die Ausgabe der Yorkshire Post mit ihrer brüllenden Schlagzeile hinab, dann ließ er sich auf die wunden Knie nieder, blätterte die Zeitung durch und betrachtete die Bilder, über deren Vorhandensein er sich völlig im klaren gewesen war.
    Aber diese Fotografien eines vierschrötigen Schankwirt mit einem Gesicht wie ein geworfener Felsbrocken, einer Frau mit kantigem Gesicht und fast weiß gebleichtem Haar und eines anspruchslosen Liebhaber mit fliehendem Kinn zeigten Fremde. Tack-tack-tack , ging das mechanische, humorlose Lachen. Er zwang sich, wieder aufzustehen und sah wieder auf die bedeutungslosen, brutalen und arglistigen und schlappschwänzigen Gesichter hinab.
    Eine rätselhafte Lücke in der Erfahrung, ein Puzzleteil Erfahrung, das dem Universum fehlte - ein Stück, wonach sich das Universum sehnte, verzehrte, um das es trauerte, ohne sich seines Leids bewußt zu werden - ging mit Standish, als er mit der Axt unter Esswood dahinschlenderte.
    Isobel war nie eine Frau wie die Frau auf der Reihe der Fotografien gewesen. Isobel glich ihm, Anmut war ihr fremd.
    Standish kam zu einer bescheidenen Treppenflucht, die zu einem offenen Torbogen führte, und trug seine Axt in die bekannte Welt hinauf.
    Er ging unter dem Torbogen hindurch und befand sich auf der Rückseite »seiner« Treppe in »seinem« geheimen Korridor, der einst Isobel gehört hatte. Er fragte sich, wieviel Uhr es sein mochte - seine Uhr zeigte 10:11 an, aber das war unmöglich. Er hob den schmutzigen Arm und hielt die Uhr ans Ohr. Die Uhr tickte nicht. Um 10:11 Uhr, dachte er, war er mitten auf der Lichtung gewesen und hatte mit ausgebreiteten Armen auf einem Massengrab gelegen.
    Standish ging den Flur zum Eßzimmer entlang und machte die Tür auf. Der Duft seines abkühlenden Mittagessens war übelkeiterregend. Er betrat das Eßzimmer und zog die Flasche Wein aus dem Kühler. Dann trug er die tropfende Flasche durch den halbdunklen Flur.
    Die Bibliothek schien größer, heller und noch schöner als in der Nacht, als Robert Wall sie ihm zum erstenmal gezeigt hatte. Er bemerkte erstmals, wie der lange apricotfarbene Teppich wirklich leuchtete und wie der Effekt der Leere den zarten Wedgewood-Pastelltönen und dem kräftigen Rot und Gold einen zusätzlichen Glanz verlieh. Die Alabastersäulen standen wie Wachtposten vor den Reihen der Bücher.
    Standish setzte die Flasche an, trank und betrachtete das Etikett. Wieder ein 1955er Haut-Brion, ho-ho. Er trank erneut und zwinkerte Ur-Ur-Ur-Urgroßvater zu. Er stellte die Flasche auf den Tisch und trug die Axt durch das schimmernde Zimmer in den ersten Erker. Hier standen die breiten Aktenkisten mit den Aufschriften STANDISH, WOOLF und LAWRENCE, alles Namen, die Lockmittel für die Schwadronen von Männern, deren Fotografien im ultimativen Raum aufgehängt waren. Er hatte Recht gehabt, als er sich an seinem ersten Tag in der Bibliothek vorgestellt hatte, wie Robert Wall Blut aus diesen dicken Behältern trank.
    Standish hob die Axt und schlug die zweite Aktenkiste Isobels entzwei. Eine Flut vergilbter Blätter ergoß sich aus der zerrissenen Bindung der Kiste und fiel auf den Boden. Standish schwang die Axt abermals, worauf die Blase an seiner Hand wie ein verletztes Kind schrie. Blätter flatterten um ihn herum wie hohle Vögel. Er hieb die Axt in die dritte Kiste mit der Prägung STANDISH, aber sie barst nicht in einer Sturzflut handbeschriebener Seiten, sondern glitt über das Regal, als wäre sie leer, und prallte gegen eine Buchstütze aus Holz. Standish ruckelte die Axt aus dem Pappkarton und die Kiste fiel vom Regal, aber es purzelten keine Blätter heraus, sondern kleine quadratische Fotografien wie

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