Esswood House
zu trösten?
Das schien sehr unwahrscheinlich, dachte Standish. Edith war wie Gott im Himmel des Bildes über der Reihe der Puppenhäuser gewesen, geliebt und gehaßt, aber unsichtbar, im Firmament entrückt.
Und hatten vor Ediths Generation andere Seneschals diese kleinen Häuser bewohnt, kranke Seneschals, die ein vor allen Besuchern des großen Hauses, das ihre so sorgfältig möblierten Gefängnisse umgab, verborgenes Leben fristeten? Das schien wahrscheinlich, denn im zwanzigsten Jahrhundert hatte Edith nur einen einzigen Mann zum Heiraten gefunden, ihren unbefriedigenden Vetter zweiten Grades, der gleichermaßen keine andere als Edith gefunden hatte, die ihn heiratete.
Und hatte einer von Ediths illustren Gästen jemals das Geheimnis gekannt oder geahnt? Das war noch wahrscheinlicher, dachte Standish, denn nach einer gewissen Zeit kamen keine anderen mehr als Schreiberlinge wie Y., D. und T., und nach einer weiteren Zeit kam gar niemand mehr, als wäre der Druck dessen, was sie nicht wußten, zu erdrückend geworden. Keine Automobile und keine Kutschen, die kleine Hunde willkommen heißen konnten. Und man mußte sich nur einmal anschauen, was sie geschrieben hatten! Henry James und seine verrückte Gouvernante, die in ein abgelegenes Haus kam, um sich um zwei kranke Kinder zu kümmern, E. M. Forster und seine Geschichte von Leuten, die in einem großen Bienenschwarm lebten, Eliots wüstes Land und seine hohlen Menschen ... die meisten Gäste Esswoods hatten einen Teil des Wegs zum Wissen hin zurückgelegt. Isobel war weiter als alle zusammen gegangen, und sie war nie fortgegangen.
Es ist besser, Esswood nie zu verlassen , fiel Standish ein.
Er wich zurück, hob die Axt und hieb sie auf die Fassade des ersten kleinen Hauses. Die dünnen Gipswände zerbröckelten wie schales Brot, kleine Gemälde in kleinen Rahmen und Möbelstücke fielen aus einem Gästezimmer in den Westsaal. Ein weiterer Hieb zertrümmerte die Haupttreppe in Splitter und Zahnstocher. Ein weiterer ließ Miniaturbücher aus Miniaturregalen purzeln und spaltete das Porträt über dem Kaminsims. Die Böden zersplitterten wie Fidibusse, der dreißig Zentimeter große Heizofen stürzte in ein Dickicht von Rohrleitungen. Die Gewölbedecke der Bibliothek zerbarst zu einem Regen wie Bonbons. Standish schwang die Axt erneut, worauf der gesamte Inhalt eines Küchenschranks explosionsartig nach oben in die Ruine des Eßzimmers stob. Ein sechzig Zentimeter langer Tisch rutschte einen schiefen Boden hinab und prallte gegen ein Miniaturspülbecken. Knochen wie Streichhölzer und Stoffschmetterlinge flogen wie Zunder in die Höhe. Der Westflügel wurde ein Trümmerfeld, der Ostflügel wurde ein Trümmerfeld, und die Schlafzimmer des Ostflügels zerschellten an den Wänden. Es kostete Standish fast eine Stunde, Kleinholz aus dem ersten kleinen Haus zu machen, bis nur noch ein Stück Bücherregal, ein Spülbecken aus Porzellan, ein kleines, in Oasenziegenleder gebundenes Buch mit leeren Seiten, mehrere lotrechte Bodendielen und die geschwungene Ecke eines Fensterrahmens aus den Trümmern ragten. Dann ging er weiter zu dem zweiten Haus und etwas mehr als fünfundvierzig Minuten später zum dritten.
Mittlerweile hatte er das Hemd ausgezogen und hinter sich geworfen. Seine Arme fühlten sich an, als wäre er stundenlang mit einem Dory durch ein aufgewühltes Meer gerudert, und sein ganzer Rücken war eine einzige schmerzende Stelle. Standish ließ die Axt fallen, die auf eine gemusterte Teetasse aus Porzellan stürzte und sie zu Staub zermalmte. Als er die Axt wieder aufhob, spürte er anhand eines stechenden Schmerzes in der rechten Handfläche, daß er sich eine Wasserblase von der Größe einer Orange zugezogen hatte. Er drückte die Schneide der Axt in die Blase und spürte abermals die stechende, wachrüttelnde Präsenz von Schmerz.
Die andere abgeschlossene Tür befand sich in der anderen Wand des betonierten Korridors. Standish schonte die Axt ebenso wie seine Hand und trat statt dessen mit dem Fuß gegen das Höhenfries neben dem Schloß. Die Tür schepperte in der Zarge. Er trat noch einmal mit dem flachen Fuß zu, dann setzte er die ganze Kraft seines ausgestreckten Beins gegen das Schloß ein. Es barst mit einem lauten Knacks, als würde ein Knochen brechen, die Tür flog an den Scharnieren nach innen. Standish schleifte die Axt in Isobels ultimativen Raum.
Falls der ultimative Raum je ein Fenster besessen hatte, war es schon vor Jahrzehnten
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