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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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Konfetti.
    Standish grunzte überrascht, bückte sich und hob eine Handvoll der kleinen Fotos auf. Das erste zeigte das Ebenbild einer großen, sehr empfindsam wirkenden Frau in einem hellen Kleid und einem eng anliegenden Hut, die auf dem Pfad beim langen Teich stand. Standish wußte, daß es sich um ein grünes Kleid handelte, obwohl das siebzig Jahre alte Foto in seiner Hand ein Schwarzweißfoto war; und er kannte das Gesicht der Frau, obwohl ihr Gesicht auf diesem Bild nicht mehr als ein verschwommener Fleck war, ein Umriß mit dem langen Kinn und der schmalen Nase, die er schon einmal gesehen hatte. Hier saß Isobel in einem Sessel der Bibliothek; hier las sie ein dickes Buch im nüchternen Westsaal, hier stand Isobel neben einem rundlichen Mann mit offenem Mund und einem zauseligen Schnurrbart, in dem Standish schließlich Ford Madox Ford erkannte. Standish warf die Handvoll Fotos beiseite und zog eine weitere aus der zertrümmerten Aktenkiste. Isobel posierte mißvergnügt an der Seite eines nicht minder mißvergnügten T. S. Eliot; draußen auf dem Rasen in einen Liegestuhl gefläzt schaute sie in eine Richtung, derweil ein offenbar erboster Mann im weiten Anzug auf einem identischen Stuhl in die andere sah. T. E. Hulme? Isobel mit einem schlanken, dunkelhaarigen Mann, bei dem es sich um Eddie Marsh handeln konnte; Isobel auf dem fernen Feld, aber zu nervös für eine Idylle; Isobel mit einem Tablett voller Getränke - sie servierte den Gästen Cocktails und lächelte traurig. Das arme Ding.
    Standish schlug noch einmal mit der Axt auf die Kiste ein, abermals flatterten Fotografien um ihn herum. Dann zielte er nach JAMES und spaltete die erste wie eine Nuß mit einem Hieb der Axt. Telefonbuchdicke Stapel fliegender Blättern ergossen sich daraus, und er kickte sie mit dem Fuß beiseite.
    Er schlug die Axt in die zweite Kiste mit James’ Manuskripten, dann in die dritte, dann hieb er sie in die Papiere selbst hinein und schnitt einen dicken Stapel davon entzwei. Monumente unsterblichen Intellekts, dachte Standish und schlug mit der Axt in WOOLF. Dann in die nächste Aktenkiste, und in die nächste, und er hörte nicht auf, bis er jede einzelne zertrümmert hatte und ihr Inhalt auf dem Boden lag. Danach schleifte er die Axt durch die Bibliothek in den zweiten Erker und kümmerte sich um FORSTER und BROOKE, bäh, wie war der denn zu einer Einladung gekommen? Und CORN.
    Standish war schweißgebadet, schmutzverkrustet und voller Blut, seine Hände schienen in Flammen zu stehen und sein Rücken und die Schultern bildeten eine einzige schmerzende Stelle, dennoch grinste er, als er an Theodore Corn dachte. Dann hob er die Axt und zertrümmerte die Kiste. Einige Blatt Büttenpapier fielen heraus - Theodore Corn hatte natürlich nur Büttenpapier benutzt, vorzugsweise schlanke Bögen Büttenpapier -, gefolgt von einer weiteren Sturzflut kleiner quadratischer Fotos.
    Standish verfolgte mit einem vagen Gefühl drohenden Unheils, das er nicht sofort verstand, wie sie um ihn herum abwärts flatterten und auf den ohnehin schon eindrucksvollen Halden zerrissener und zusammengeknüllter Papiere auf dem Boden landeten. Die Fotografien landeten mit einem leisen tschitternden, klickernden Geräusch, wie fallende Insekten, auf den Papieren. Sein erster Gedanke war, daß er sich weitere Fotografien beleibter Literaten anschauen müßte, die allein durch ihre Körperhaltung ausdrückten, daß sie sich allen anderen um sie herum überlegen fühlten. Sein zweiter Gedanke, als er sich bückte und wahllos eine Handvoll Fotos aufhob, war der, daß er diese Bilder gar nicht ansehen wollte: sie waren ein überfülltes Karussell, auf das er nicht aufspringen wollte.
    Sie ähnelten auf frappante Weise den Fotografien von Isobel. Ich hätte die Kiste dieses Idioten in Ruhe lassen sollen , sagte Standish zu sich und drehte mit seinen wunden, schmutzigen Fingern mehrere kleine quadratische Bilder um, die alle denselben knappen weißen Rand und dieselben trostlosen Farbtöne von Sepia bis zu einem matten Hellgrau, sowie dieselben Landschaften und Möbel wie Isobels Bilder zeigten. Auch zahlreiche Gesichter waren dieselben wie auf Isobels Fotografien - Ford, der durch den Mund atmete, Eliot, der sich duckte und ein Gesicht wie eine Katze machte. Die zentrale Figur dieser Bilderfolge, die Gestalt, die so linkisch wie Isobel beim Teich oder den verkrüppelten Bäumen stand oder sich wie ein knochiges Ausrufungszeichen auf einem Liegestuhl

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