Est Electio: Dämonische Versuchung (German Edition)
Langsam öffnete sie das Fenster und die Elster flog hinein, direkt auf Mairas Bett. Als sie sich neben sie setzte, hüpfte diese auf ihren Schoß und ließ sich von ihr streicheln.
„So zutraulich bist du“, flüsterte Maira, während sie über das weiche Gefieder des Vogels strich, mit ihren Fingerkuppen sanft deren Kopf kraulte und dabei laut seufzte.
„Dich hab ich vermutlich auch einer von beiden Seiten zu verdanken, für die ich mich entscheiden soll.“ Die schwarzen Augen des Vogels blicken zu ihr hoch. Sein Kopf war nach hinten geneigt und er flatterte aufgeregt mit den Flügeln.
„Vermutlich hat dich der Himmel zu mir geschickt. Schließlich wolltest du mir helfen aus dem Haus der Dämonen zu fliehen.“
Die Elster flog auf Mairas Kommode und setzte sich genau vor den großen Spiegel. Dann pickte sie dreimal gegen die Scheibe und gegen ihr eigenes Spiegelbild, welches sofort verschwamm, als spiegelte sie sich im Wasser. Maira blinzelte, als sie sich vom Bett erhob, um auf die Kommode zuzugehen. Entgeistert starrte sie in den Spiegel, in dem nicht länger das Abbild einer kleinen Elster zu sehen war, sondern ein Dutzend Gesichter von jungen Frauen, welche sie umgaben.
„Wer seid ihr?“, fragte sie in den Raum. Eine der Frauen trat hervor. Ihr kurzes, schwarzes Haar war zurückgekämmt. Schmutz war über ihr gesamtes Gesicht verteilt. Sie war in einer indianischen Tracht gekleidet. Als sie sprach, klang es, als würden sie alle durch sie sprechen. Ein Dutzend Stimmen übereinander gelagert, hallten durch Mairas Zimmer.
„Wir sind die Schlüssel der Vergangenheit. Mein Name ist Bellearmi“, sagte sie. Ihre Gestalt flackerte, genau wie die der anderen im Licht und sie alle waren durchsichtig und wirkten wie die unscheinbaren Erinnerungen an ein früheres, aber bedeutendes Dasein. Tatsächlich waren sie die Geister der Schlüssel der letzten Jahrtausende.
„Was wollt ihr von mir?“ Maira blickte sich um, jedoch waren jene Geister nicht außerhalb des Spiegels zu sehen.
„Du bist der Eine. Der Schlüssel der den Kreislauf der Wahl beenden kann“, hauchte Bellearmi. „Wir werden dir helfen die Deine zu treffen.“
Maira stand wie versteinert vor ihrer Kommode.
„Es kommt doch nur eine Wahl in Frage. Wie könnte ich mich für die Hölle entscheiden? Sie würde nur Qualen und Verderben über die Menschen bringen.“
Bellearmi blickte ihr regungslos entgegen.
„Eine Entscheidung gegen die Hölle, bedeutet nicht gleich, dass es den Himmel auf Erden gibt.“
„Wer von euch entschied sich für den Engel?“ Gebannt starrte Maira in die Menge, wo einigen der Frauen, sogleich wunderschöne, weiße Flügel wuchsen.
„Und ihr anderen habt den Dämon gewählt?“ Ungläubig blickte sie vor sich, denn auch Bellearmi, welche die Stimme der anderen zu sein schien, war ohne Flügel geblieben.
„Die Welt der Menschen ist einem ständigen Wandel ausgesetzt“, sprach sie. „Ein Gleichgewicht, von uns bestimmt, hält sie zusammen.“
„Du meinst damit, dass es manchmal richtig ist, sich für die Hölle zu entscheiden?“
Maira sah aufmerksam zu ihr in den Spiegel.
„Nichts bestimmt den Wandel der Menschheit. Nicht Himmel, noch Hölle. Die Menschen wählen selbst. Mit ihrem Verhalten, mit ihren Tugenden. Es liegt an uns, ihre Richtung zu erkennen und ihre Konsequenzen aufzuheben.“
„Um die Folgen zu mildern?“, fragte Maira, die so langsam ihre Aufgabe verstanden hatte.
Bellearmi nickte stumm.
Schritte auf dem Flur ließen die Gesichter im Spiegel verschwimmen und schließlich sah Maira niemand mehr entgegen, als sich selbst, auch die Elster verschwand zum Fenster hinaus.
Ciprian riss hastig ihre Zimmertür auf. Wortlos senkte er den Kopf. „Maira, du … ich?“, stammelte er.
Sie ging auf ihn zu. Wollte ihn umarmen, sich von ihm trösten lassen, wie er es sonst immerzu getan hatte, wenn sie es nötig gehabt hatte. Nun jedoch wirkte er unnahbar. Sein Atmen war schwerfällig und seine Bewegungen fahrig.
„Ciprian was ist mit dir?“
Er blickte sie an. Seine Augen waren weit geöffnet, die Iris trüb, sodass Maira sich in ihnen nicht selbst sehen konnte.
Langsam glitt er zu Boden.
„Maira“, hauchte er, während sein Blick ins Leere starrte und der Glanz seiner Augen allmählich verging.
„Andash!“, schrie sie panisch und hielt Ciprian in ihren Armen. Sein Kopf ruhte auf ihrem Schoß.
„Was ist geschehen?“ Beunruhigt trat Andash ins Zimmer und kniete sich sogleich
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