Esther Friesner
können«, antwortete Mysti.
»Prima! Abgemacht!« warf Scandal schnell ein. »Bwana, schmeiß schon mal deine Levitationszauber an, dann helfe ich deinem Bruder Quasimodo hier, ein Schwein aufzutreiben, und …«
»Hier wird niemand verheiratet oder entheiratet«, sagte ich in strengem Ton. »Und jetzt verzieh dich, Basehart!«
Mein Bruder hob den Kopf vom Boden. Seine Augen waren zwei brennende Schlitze des Zorns. »Mir schreibt niemand vor, was ich zu tun habe«, fauchte er. »Bis auf Paps, und Mama. Und unser Kindermädchen Esplanadia. Meinste etwa, du kannst hier die große Nummer abziehen, nur weil du ein Zauberer bist? Dir kann ich trotzdem noch die Nase polieren, bis du die Sonne für einen Käse hältst.«
»Versuch es nur.« Meine Hände wurden zu Fäusten. »Versuch es nur.«
Basehart schüttelte den Kopf. »Das würde dir wohl so passen! Damit du einen Vorwand hast, mich mit deinen Kräften zu rösten. Ich bin doch nicht blöd.«
Ich biß mir auf die Zunge.
»Zauberei kann man nur mit Zauberei bekämpfen«, fuhr mein Bruder fort. Er stand auf und hielt auf die Treppe zu.
»Ich hol’ jetzt meinen guten Kumpel Zoltan. Das ist ein Zauberer.
Ein besserer, als du jemals warst. Hat mir alles über dich erzählt.« Am Treppenabsatz blieb er stehen, drehte sich um und fauchte:
»Rattenklopper!«
Scandal huschte vor Baseharts Füße, als er gerade die erste Stufe nahm. Er stolperte über den Kater, kippte nach vorn, ließ die Calabash-Flasche fahren, schrie erschrocken auf, als sie auf den Steinstufen zerschellte, wirbelte wild mit den Armen und stürzte trotz allem doch noch in die Tiefe. Wir hörten, wie er bumm, bumm, donner, rumpel hinunterfiel und schließlich bis nach ganz unten rollte, dann war Stille.
»Ich habe ihn umgebracht«, sagte Scandal, stolz auf sich selbst.
»Kater, es wäre besser, wenn du dich irren würdest«, preßte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und beugte mich über das Geländer, die Ohren gespitzt, um irgendein Lebenszeichen von unten auszumachen.
»Hä? Was ist denn jetzt los?« Scandal war verwirrt. »Dieser Penner war doch bloß eine ganze Wagenladung Ärger, die nur darauf wartete, loszugehen, und der einzige Name auf dem Adreßaufkleber war deiner.«
»Dieser Penner ist immerhin mein Bruder«, konterte ich.
»Nur weil wir uns hassen, heißt das noch nicht, daß ich ihn tot haben will.«
Der Kater zog die Nase hoch. »Penibel, penibel!«
»Meinst du, der Schurke hat den Tod gefunden durch Katzenpfotenfrevel?« fragte Grym.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich. »Aber ich werde jetzt nachsehen gehen.«
Ich huschte die Treppen hinab, ohne mich darum zu kümmern, ob die anderen mir folgten. Ich lief tiefer und tiefer, konnte Basehart aber nirgendwo finden. Erst waren da nur Stufen, Stufen und noch mehr Stufen, die sich vom Absatz oben im Turm wie ein Korkenzieher in die Dunkelheit fraßen. Nach einer Weile folgten noch weitere Treppenabsätze, die zu anderen Torgängen führten. Ich blieb bei jedem davon stehen und spähte hinaus, um zu sehen, ob mein Bruder sich vielleicht von der Treppe fortgeschleppt hatte, um in einem der Gänge zu sterben. Doch war er weder auf dem ersten noch auf dem zweiten Stockwerk, das ich unterwegs überprüfte. Ich wollte gerade das dritte angehen, als die anderen mich einholten.
»Du hättest wenigstens warten können«, meinte Mysti.
»Ich mußte mich erst ankleiden.« Sie trug ein derart formloses und schweres Kleid, daß es selbst ihre Kurven noch zunichte machte. Ich wußte nicht, ob ich enttäuscht oder erleichtert sein sollte. »Deine Mutter hat mir meine alten Sachen weggenommen, um sie waschen zu lassen, und mir statt dessen das hier gegeben«, sagte sie und breitete das grobe Tuch aus. »Gefällt es dir?«
»Niemand hat mir gesagt, daß der Zirkus in der Stadt ist!« heulte Scandal. Er steckte die Nase unter den Saum.
»Heissa! Stalagmiten!«
»Komm darunter weg!« befahl ich und zerrte ihn zurück.
»Und hör auf mit dieser Alberei. Ich muß sehen, ob mein Bruder unversehrt ist, und danach müssen wir alle Mutter Krötenhauchs Zelle suchen. Und außerdem«, sagte ich an Mysti gewandt, »habe ich keine Zeit, mir Gedanken um dein häßliches Kleid zu machen.«
»Oh!« Mystis Stimme klang plötzlich furchtbar kleinlaut.
»Dann suchen wir doch sofort nach deinem Bruder.« Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, als sie das sagte, hörte aber ein Stocken in der Kehle. Es klang nach Tränen, die nur mühsam
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