Esther Friesner
wie ein Gurgeln herauskam. Zoltan legte den Kopf wieder schräg und musterte mich. »Ich schätze, du ziehst es wohl vor, nach einer solch gewaltigen Anstrengung und Anspannung deiner Kräfte dort oben etwas frischere Luft zu schnappen.«
»Oh, ja«, erwiderte ich und wünschte mir, ich könnte etwas mehr von dieser Luft einziehen, als es mir mein immer enger werdender Kittelkragen gestattete. »Das ist wirklich sehr erfrischend.«
»Hast du vor, äh, irgendwann in nächster Zeit wieder herunterzukommen? Mir wird der Hals steif, wenn ich so mit dir reden muß.«
Der Hals steif? Der hatte gut reden! »Ääärrhh …«
»Ich würde es als eine Ehre empfinden, edler Gebieter, wenn du es mir gestatten würdest, dir mit meiner eigenen armseligen und unzulänglichen Zauberkunst dabei behilflich zu sein, aus deinen edlen Höhen in diese Niederungen herabzusteigen. Sofern du nichts dagegen hast.«
»Wie du willst«, ächzte ich. Zoltan machte eine knappe, einhändige Geste, und ich fühlte, wie sich etwas Festes unter meine Füße schob, um mich von der zerborstenen Säule zu heben. Mit größer Sanftheit beförderte mich die unsichtbare Plattform wieder auf die oberste Ebene von Meister Thengors Bett, wo Zoltan Bösherr mich erwartete.
Kaum hatte ich den Fuß wieder auf festen Boden gesetzt, als der älteste Student sich vor mir verneigte. Vor Edelfrau Inivria hatte er sich nie so tief verneigt. Eigentlich hätte ich mich geschmeichelt fühlen müssen.
Tat ich aber nicht. Ich fühlte mich schrecklich. Ich fühlte mich wie ein erbärmlicher kleiner Schwindler.
»Laß das!« rief ich. »Das habe ich nicht verdient.« Ich packte Zoltan an der Schulter und richtete ihn wieder auf.
»Ich habe hier überhaupt nichts absichtlich getan - weder, was das Kuppeldach angeht, noch die Hände, noch die Zauberer, gar nichts!
Das kann ich doch gar nicht. Ich weiß nicht, wie. Ich habe mir noch immer keine Kutte verdient, und ich habe überhaupt erst von Magik erfahren, weil …
weil …« Es tat zwar weh, es zugeben zu müssen, aber ich mußte einfach reden. »Weil Meister Thengor einfach nicht geglaubt hat, daß ich gut genug dafür bin.«
Zoltan Bösherr lächelte. Es sah durchaus freundlich aus, aber hinter diesen geschwungenen Lippen lauerte noch etwas anderes, das mir einen eisigen Schauder den Rücken hinunter jagte. Mir war, als habe er die ganze Zeit gewußt, daß ich in Wirklichkeit nichts mit den magischen Ereignissen in Meister Thengors Schlafgemach zu tun gehabt hatte.
Sein ganzes Getue, was ich doch für ein wunderbarer Zauberer sei, hatte nur dazu gedient, mich dazu zu bringen, etwas zu beichten, was er ohnehin bereits wußte. Ja, das war es: Es war das Lächeln eines Mannes, dessen größte Freude im Leben es ist, anderen Unbehagen zu bereiten. Außerdem war er einen halben Kopf größer als ich, und es war sehr beunruhigend, mitansehen zu müssen, wie dieses seltsame Lächeln sich auf mich senkte - es erinnerte an die halbmondförmige Axt eines Henkers.
Allerdings hörte er sich durchaus zufrieden an, als er sagte: »Na ja, Kendar, ob gut genug oder nicht, jetzt hast du jedenfalls alles.«
Eine Weile später befanden Zoltan und ich uns unten im Küchentrakt und suchten etwas zu essen. »Gut, daß du nicht gleich den ganzen Palast zerstört hast«, sagte er gerade, als er aus Meister Thengors privater Speisekammer trat, einen Teller voll kaltem Hammelbraten und übrig gebliebenen gedämpften Lampreten in der Hand. Mit einem theatralischen Scheppern ließ er ihn vor mir auf die Tischplatte fallen, dann zog er mir gegenüber einen Schemel heran. Die Dienstboten waren allesamt davongelaufen, so daß wir ganz auf uns gestellt waren.
»Ich werde dir ein Versteck besorgen, bis wir dir etwas anderes beschafft haben.«
»Versteck?« Ich starrte den Berg aalgleicher Fische auf dem Teller an. Die starrten zurück. Ich hatte überhaupt keinen Hunger. »Warum sollte ich mich denn verstecken?« ‘ »Denk doch mal nach.« Zoltan schnippte mit den Fingern, und ein Dolch erschien. Er hackte ein Stück Hammelfleisch ab und bot es mir mit der Spitze an. Ich lehnte ab. »Du verfügst über den größten Vorrat an Magik, der jemals in der Geschichte unserer Welt zusammengeballt wurde. Damit bist du der mächtigste Zauberer auf Orbix. Manche Leute könnten deshalb neidisch auf dich werden. Manche könnten Angst vor dir bekommen.
Manche hätten es gern, wenn du für sie arbeiten würdest, ob du willst oder nicht. Manche Leute
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