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Esther Friesner

Titel: Esther Friesner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Katze läßt das Zaubern nicht
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Kopf in die Hände gestemmt. Er war am Weinen. Ich vermutete, daß er seinen Vater wirklich geliebt haben mußte.
    Ich ließ den Blick von Meister Thengors Frau - ich meine Witwe - zu den beiden Zauberern schweifen. »Was habe ich denn getan?«
    Edelfrau Inivria wies auf das fehlende Dach. »Rate mal.«
    Ich hob den Blick. Durch die zerschmetterte Kuppel wehte eine angenehme, frische Frühlingsbrise ins Zimmer.
    Ich wünschte, ich hätte sie genießen können. »Ich?« quiekte ich. »Ich soll das …? Aber wie hätte ich das …? Niemals habe ich … Das meinst du doch wohl nicht ernst.«
    Doch, sie meinte es ernst. Sie hatte die Arme vor dem Busen verschränkt, die Beine standfest gespreizt, und musterte mich mit genügend Feuer in den Augen, um damit König Steffans gesamte Hauptstadt Gladderadatsch in Schutt und Asche zu legen. Noch ernster konnte man überhaupt nicht dreinschauen. »Heimzerstörer«, knurrte sie.
    »Edle Frau, ich … es tut mir leid.« Ich ließ mich vor ihr auf ein Knie fallen, den Stock in beiden Händen haltend. »Meister Thengor war mein Lieblingslehrer …« Mein einziger Lehrer. »Niemals hätte ich ihm absichtlich Schaden zugefügt!« Und wenn, hätte ich es wohl kaum überlebt. »Wenn irgend etwas von dem, was ich getan habe, seinen Tod verursacht haben sollte, dann mußt du mir glauben, daß es nur ein Versehen war!«
    »Wirklich?« Langsam löste sie die Arme. »Welch ein Jammer. Ich hätte dir für jeden Schaden, den du meinem verstorbenen Gatten absichtlich zugefügt hast, nämlich eine Belohnung gegeben. Aber ich sprach gerade davon, daß du mein Zuhause zerstört hast.« Sie machte einen Schritt auf mich zu.

    »Junger Mann, du wirst das, was du zur Verfügung stehen hast, gefälligst dazu verwenden, es auf der Stelle wieder zu reparieren.«
    Einer der beiden Zauberer - der besser aussehende, Meister Benidorm - packte die Dame am Ellenbogen und murmelte: »Inivria, hältst du das für klug? Die Macht, über die er verfügt …«
    »Ach, hör doch auf, dir in die Kutte zu machen!« Sie riß ihren Arm los. »Ich kenne diesen Welpen genau. Er heißt Kendar Rattenklopper.
    Das sollte dir schon einiges sagen.
    Schau mal, er hat ja noch nicht einmal seine erste Kutte, nachdem er schon sechs Jahre bei uns ist! Der wird tun, was man ihm sagt, sofern ihm sein Leben lieb ist, und danach kannst du ihm mit Meister Gurf alles abnehmen und ihn zum Teufel jagen. Dann können wir das Zeug stückweise an den Meistbietenden verhökern.« Sie gewährte dem armen Zoltan ein verächtliches Lächeln und fügte hinzu: »Wieviel Taschengeld hast du denn zur Verfügung, Zoltan, Liebster?«
    »Es gehörte mir!« schrie Zoltan, das zornige Gesicht feucht von Tränen. »Ich sollte es bekommen!«
    »Kennst du einen Satz mit x?« fragte Edelfrau Inivria zuckersüß.
    »Das war wohl nix.«
    Zoltan sagte etwas derart Übles, daß es selbst meinen Paps noch beeindruckt hätte. Doch die Edelfrau quittierte es mit einem bloßen Schulterzucken, ihre ganze Aufmerksamkeit galt mir. »Nun, ich warte«, sagte sie. »Du verfügst über die Mittel - also bring es gefälligst wieder in Ordnung!«
    Ich musterte erst das offen klaffende Dach, dann den Stock in meinen Händen. Entweder hatte die Edelfrau ziemlich skurrile Vorstellungen davon, welches Werkzeug man für eine solche Aufgabe benötigte, oder sie wußte etwas, was ich nicht wußte. Mal wieder.
    Meister Benidorm schlüpfte an ihre Seite. »Ich glaube nicht, daß er weiß, was er da hat«, sagte er leise.
    »Rattenklopper? Das hat er noch nie gewußt.« Ein kaltes Lächeln legte ihre Lippen in Kurven. »Du hast recht, Liebster. Ich dachte eigentlich, es würde dir etwas Aufwand ersparen, wenn ich ihn die Drecksarbeit des Zauberns erledigen lasse, aber wenn er wirklich so ignorant ist - na gut, hat keinen Zweck, noch länger Zeit zu vergeuden. Nimm sie ihm ab, damit wir die Sache endlich in Ordnung bringen können.«

    Meister Benidorm nickte. »Also gut.« Er krempelte die Ärmel seiner Kutte bis zu den Ellenbogen hoch und begann damit, eine lange Reihe jener merkwürdig klingenden Silben zu murmeln, mit denen jeder Zauberer sich aufzuwärmen pflegte, bevor er einen wirklich spektakulären Zauber verhängte. Seine Hutspitze zuckte wie ein Eidechsenschwanz, zappelte immer schneller und schneller, je länger und lauter seine Rezitation wurde. Der Lautstrom, der seinen Lippen entsprang, hörte sich für meine Ohren an

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