Esther Friesner
Nichts hervorgezogen hatte. Regel Nummer eins: Sei vorsichtig im Umgang mit verzweifelten Welfies.
Der gekrönte Weifie musterte mich mit kalter Miene. »Was geschehen ist, ist geschehen. Diener, laß sie frei.« Sein Diener sagte ein paar Worte auf welfisch, worauf die Fesseln an Mystis Handgelenken sich auflösten. Mit gesenktem Kopf zog sie davon, um auf einem der silbernen Sessel Platz zu nehmen. Sie versuchte, niedergeschlagen zu wirken, doch als sie an mir vorbeikam, hörte ich, wie sie halblaut eine fröhliche Weise vor sich hinsummte.
Ich ließ den Blick von Mysti zu ihrem Herrscher schweifen. Auf seiner Miene hätte man immer noch Schlittschuh laufen können.
»Weißt du, die Geschichte mit ihrem Namen war ein Versehen«, sagte ich. Ich wollte nicht, daß sie Schwierigkeiten mit ihrem Volk bekam.
Vielleicht war dieser Welfie ja sogar ihr Vater. »Sie ist, äh, gestolpert und mitten in einen Zauber hineingeraten, den ich gerade übte. Ich wußte nicht, daß er sie dazu zwingen würde, mir ihren wahren Namen zu offenbaren. Ich wäre auch bereit, zu vergessen, daß ich ihn je vernommen habe.«
Das frostige Lachen des Welfies ließ seine Eisesmiene im Vergleich wie das reinste Freudenfeuer erscheinen. »Du beliebst mit mir zu scherzen, o Meister Kendar. Ha, ha! Sprechen wir nicht mehr über unangenehme Dinge.«
»Was wirst du mit ihr tun?« hakte ich nach. Doch er weigerte sich, meine Frage zu beantworten.
»Deine Beherrschung der Magik ist wirklich beeindruckend. Für einen Sterblichen«, sagte er, das Thema wechselnd. »Ich habe die Tatsachen an den Rat der Nichtsterblichen Weisen gemeldet, und sie haben mir bestätigt, daß wir dich falsch eingeschätzt hatten. Im allgemeinen mögen wir Welfies keine Fremden.«
Ach - darauf wäre ich ja nie gekommen!
»Deine Kräfte haben uns jedoch mächtig beeindruckt. Wir sind bereit, dich unseren Freund zu heißen. Das ist eine große Ehre, wie jeder Sterbliche weiß.«
Jetzt wußte ich es wohl. »Ich bin dessen nicht würdig«, sagte ich mit einer leichten Verneigung. Es war die netteste Art, auszudrücken, was ich in Wirklichkeit dachte, nämlich: Ich will dich nicht zum Freund haben, und ich wünschte mir, das würde auf Gegenseitigkeit beruhen.
Inzwischen hatte der gekrönte Welfie sich wieder eins von diesen schleimigen Lächeln angeklebt. Frostig gefiel er mir besser - das wirkte ehrlicher. Dieses Lächeln dagegen … Es erinnerte mich an Zoltan, als er versuchte, mir weiszumachen, er sei mein bester Kumpel.
»Oh, wie ich frohlocke, das aus deinem Mund zu hören, Meister Kendar!« rief er und klatschte in die großen weißen Hände, daß die Ringe schepperten. »Es beweist deine Weisheit und zeigt mir, daß wir uns in dir nicht getäuscht haben.«
»Das freut mich ja unmäßig.«
Welfies hatten keinen Sinn für Sarkasmus. »Ja, ja, wir - sind mehr als willens, dich Welfenfreund zu heißen, Geehrter, mit allen Segnungen, die zu einem derartigen Titel gehören …«
Laß dir das lieber schriftlich geben, sagte Scandal in meinem Kopf.
Dieser Typ ist ja noch glatter als ein Pfund eingefetteter Aale.
»… sobald du uns einen aller winzigsten Gefallen getan hast.«
Na, sag ich’s doch! dachte der Kater mir zu.
Ich setzte ein Lächeln auf, das dem des Welfies an Falschheit in nichts nachstand, und sagte: »Es wird mir ein Vergnügen sein, euren Wunsch zu erfüllen.«
Wie bitte? Scandal bekam fast einen telepathischen Schluckauf. Du kannst doch nicht einfach einwilligen! Frag doch erst mal, was sie überhaupt wollen, und dann feilsche mit ihnen!
Herrje, was für ein Blödmann bist du eigentlich?
Von jener Sorte, die lieber in einem Stück von hier wegkommen und wieder nach Hause zurück will, dachte ich zurück.
Hör mal, da, wo ich herkomme, haben wir ein Wort für Leute, die Blankoschecks ausstellen.
Das würde mich mehr bekümmern, wenn ich wüßte, was ein Blankoscheck ist.
Wird es dich auch nicht bekümmern, falls dieser >allerwinzigste Gefallen<, den diese spitzohrigen Mißgeburten von dir wollen, so etwas wäre, wie … hm … einen Drachen zu erlegen. Du weißt doch wohl hoffentlich, was ein Drache ist?
Ich weiß auch, daß sie uns, sollen wir ihnen irgendwelche Gefallen tun, vorher erst einmal freilassen müssen. Und wenn wir frei sind, rasen wir, was das Zeug hält aus dem gefürchteten Wald von Euw, so schnell, daß die Welfies uns nie wieder einholen können.
Ich spürte das Erstaunen, das sich in Scandals Geist
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