Esther Friesner
wollte keinen Finger rühren, bevor ich nicht überzeugt war, daß ich damit kein Risiko einging.
Mysti machte eines jener tadelnden Geräusche, die bedeuteten, daß ich kurz davor stand, mal wieder Rattenklopper, du Narr genannt zu werden, selbst von jemandem, der gar nicht wußte, daß ich so zu heißen pflegte. »Ganz sicher«, erwiderte sie. »Selbst eine Riesenwurmfledermaus kann nicht allzulange ohne Kopf überleben.
Jetzt komm sofort heraus und sag irgend etwas, um dich zu entschuldigen. Große Zauberer fürchten sich nicht vor Ungeheuern.
Sonst machst du noch alles für mich zunichte.«
Als wenn sie nicht alles für mich zunichte gemacht hätte!
Wenn meine Mutter erfahren sollte, daß ich geheiratet hatte, würde sie ihn Ohnmacht fallen. Und danach würde sie mich umbringen. Und wenn mein Vater erfuhr, daß ich eine Welfie ohne Aussteuer geheiratet hatte, ohne Ländereien und ohne Aussicht, ein Vermögen zu erben, würde er einen blauen Tobsuchtsanfall bekommen.
Ich krabbelte unter dem Eßtisch hervor und winkte den Gästen zu.
»Kleiner Zaubererwitz, das«, verkündete ich.
»Wir Meister der Magik lieben es immer, unsere Hochzeitsfeierlichkeiten ein wenig zu beleben. Ich weiß ja nicht, wie es euch erging, aber ich mußte so kräftig lachen, daß es schon weh tat.«
»Ha, ha«, sagten alle Welfies gemeinsam. Niemand, der auch nur über ein halbes Ohr verfügte, hätte ihr Geräusch mit Gelächter verwechseln können. Dann machten sie sich wieder daran, Nektar zu schlürfen und weise dreinzublicken.
Als Brautpaar saßen Mysti und ich am Ende des Tischs, wo uns jeder sehen konnte. Der bestand aus einer Seite eines Vierecks mit drei weiteren langen Festtafeln auf dem moosigen Waldboden. Grym stand in der Mitte des Vierecks und winkte uns mit dem abgetrennten Haupt der Riesenwurmfledermaus zu, die er gerade erlegt hatte. Das Ungeheuer war doppelt so groß wie er, und Grym stand bis zu den Knien in Blut. Er war verzückt.
Der gekrönte Welfie saß zu meiner Rechten. Er beugte sich vor und bemerkte: »Jetzt steht dir eine Köstlichkeit bevor.
Wurmfledermausflügel sind eine Delikatesse. Wir haben einen Koch, der keine andere Aufgabe hat, als sie in winzige Streifen zu schneiden. Sie werden roh serviert, auf kleinen Häuflein aus gekochtem Reis mit …«
»Ich habe noch nie eine so große Wurmfledermaus gesehen«, sagte ich. Das stimmte: Zu Hause waren Wurmfledermäuse kleine, geflügelte Ungeheuer, nicht größer als eine Männerhand, die tagsüber in schlecht gesäuberten Abwasserkanälen hausten und bei Nacht umherschwirrten und Bibliotheken heimsuchten. Sie liebten es, den Leim aus den Buchrücken zu knabbern und die Tinte von aufgeschlagenen Seiten abzulecken.
Die Wurmfledermaus, die die Welfies hier zum Abendessen angeschleppt hatten, war groß genug, um den Leim aus dem Gesamtwerk von Raptura Eglantine (So zärtlich war mein Troll) zu knabbern und die Tinte sämtlicher aufgeschlagener Autoren wegzulecken. Sie hatten das Untier an einer Spinnenseidenleine hereingeführt, die das widerwärtigste Wesen mühelos durchgebissen hatte, bevor es sich auf das Tischende stürzte. Ich hatte einen einzigen Blick in seinen klaffenden roten Schlund geworfen und war, Magik hin, Magik her, abgetaucht. Glücklicherweise hatte Grym seinen Grabräuber und war damit gleich auf den ersten Gang aufgesprungen.
Ein Hieb, und alles war vorüber. Ich glaube, er war froh, ein bißchen Bewegung zu bekommen.
Der gekrönte Welfie schien es nicht sonderlich merkwürdig zu finden, daß die Wumfledermaus so außerordentlich riesig war.
»Meister Kendar, du erwartest doch sicherlich nicht von unserem Koch, daß er seine Zeit darauf vergeudet, genügend gemeine Wurmfledermäuse einzufangen, um diese Menge hier zu beköstigen?
Da ist es sehr viel effizienter, sich eine vorzunehmen, sie auf die richtige Größe zu züchten und dann am Tisch zu tranchieren.«
»Aber sie war noch gar nicht tot, als er sie hereinführte, um sie am Tisch zu tranchieren.«
Er gewährte mir sein Klebelächeln. »Ich bevorzuge möglichst frische Speisen, du etwa nicht?«
»Oh, ja, natürlich, frisch, keine Frage.« Ich hoffte nur, daß meine Speisen mich nicht genauso bevorzugten. »Und, äh, wie frisch wird der Rest unseres Essens sein?«
Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Nachdem der Welfie-Koch uns die Flügel der Riesenwurmfledermaus säuberlich zu einem Berg zarter Happen auf Reis geschnitten serviert hatte, trugen die
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