Esti (German Edition)
Paprikahuhn, Marzipanzwerge und ein bisschen Reue … (András Maros) Ich glaube nicht, dass ich irgendwann einmal Wein ausgespuckt hätte. (John Lukács) In der Bohnensuppe spiegelt sich weniger die Geldbörse als vielmehr der Charakter. (László Márton) Kevert kann man nicht versauen, Kevert ist per definitionem schlecht, selbst wenn er gut ist. (Péter Új) Ein guter Koch überstürzt nichts, antreiben aber lässt er sich schon gar nicht. (János Márkus-Barbarossa) In Wacholderschnaps eingeweicht keimen die Geschichten. (József Imre Balázs) Im Essen ist – außer seinem Duft und Aroma – die Zeit das heiligste Geschenk, die Lebenszeit, die der Koch von seiner eigenen ausschenkt. (Zsófia Balla) Kraut hat nichts Bukolisches an sich. (Gergely Péterfy) In der oberen Ecke, wo die Briefmarke wäre, strahlte das Gelbe des Spiegeleis – wie auf Kinderzeichnungen die Sonne. (Márton B. Balogh)
*
Meine Freunde, ich begann mit großen Hoffnungen, die von den marinierten Pilzen bis hin zum Stör des zweiten Frischegrades in allen Farben schillerten. Oder das Essen als solches! Wer Russen (als Russen) essen gesehen hat, der weiß etwas von menschlicher Großzügigkeit, von Fülle, der weiß, wir essen gegen den Tod an, der Tod ist das, was der Russe mit jedem Bissen weiter wegscheucht. Und wie so eine russische Gruppe einzieht (von der wir sofort glauben, es sei eine Familie, denn man sieht offensichtlich eine Hierarchie, das Oberhaupt, dann die Söhne, dann die Frauen, Schwestern, Mütter, Geliebten, untergeordnet, doch mit der großen Kraft eines kaum versteckten Matriarchats) und Platz nimmt, am Tisch, den sie dann, unabhängig von den lokalen Gepflogenheiten, mit Essen vollladen lässt, das beweist nicht nur ihre Größe und Energie, sondern irgendwie auch die der Welt. Zumindest aber die des Tischs.
Wie Russen essen, das verändert die Welt.
Ja, gut, aber was ist tatsächlich geschehen?
Tatsächlich geschahen die bereits erwähnte Frau und der Wodka. Die Frau – als solche – ist wie die Bohnensuppe: Man – als Mann – schüttet ihr sofort sein Herz aus. Die Fleischbrühe ist die Stunde der Wahrheit, doch in der Bohnensuppe spiegelt sich weniger die Geldbörse als vielmehr der Charakter.
Nun, meine Freunde, ich schüttete also mein Herz aus. Kleine ungarische Männerseele in großem russischem Frauenzuber, ich skizzierte also das Problem, das Festsitzen, die kulinarische Schrumpfung. Den Gastrobankrott. Dass ich in dieser Richtung einen Anstoß bräuchte. Wir saßen gerade am Tisch, sie konnte die Bitte nicht verdächtig finden. Sie senkte den Kopf:
Vom Essen könnte ich viel erzählen, Kornél Árpádowitsch.
Ich hatte das Gefühl, sie drückte ihren Schenkel heimlich gegen meinen, doch ich irrte mich, es war nur das Tischbein, das seine Leidenschaften nicht bezwingen konnte.
Also erzählen Sie, Natascha, bettelte ich, erzählen Sie! Doch sie wollte nicht. Nicht jetzt. Auch Sie würden sich nicht darüber freuen. (Ihre Aussprache des Jery war so wunderschön, dass es einem das Herz brach.) Ich sehe, bei der Speisekarte leuchten Ihre Augen. Das sehen Sie gut. Später, auf dem Weg nach Hause, im Flugzeug, später – denn es hatte sich herausgestellt, dass wir mit derselben Maschine flogen. Es kam in kleinen Teigtaschen versteckter Kaviar. Natascha blickte auf den Kaviar, dann zu mir, warf die Serviette aus Damast, der wie Damast aussah, zu Boden und stürzte aus dem separaten Raum des Restaurants. Ihr Blick verriet nicht, ob sie mich oder den Kaviar mehr hasste. (Kulinarisch sind beide inakzeptabel.)
Ich weiß nicht, was Estis Leben ist.
*
Die Zeit verging, aber anders (denn wir waren in Moskau). Nun also der Wodka. Schon immer hatte ich das Gefühl, dass sich hier ein Geheimnis verbirgt. Der Wodka trinkt sich anders (lässt sich anders trinken). Was ist dieses andere? Ungarn haben vom Kevert a priori synthetische Erfahrungen . (Mein Gott, wie gut, dass Dummheit nicht weh tut! – Autobiographische Anmerkung.) Kevert kann man nicht versauen, Kevert ist von vornherein schlecht, selbst wenn er gut ist.
Wodka auch nicht. Wodka ist von vornherein gut. Selbst wenn er schlecht ist.
Es stellte sich heraus, ich erwischte mich dabei, dass ich in Tischnähe sofort Wodka trank. Auf einmal ist da in meiner Hand ein Wodkaglas. Es wächst aus (m)ihr heraus wie eine Blume. Ich verstand nicht, was diese neue Notwendigkeit war, die mich zum Wodka trieb. Ihr wisst ja, mein Verhältnis zum Alkohol ist höchst
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