Esti (German Edition)
Zellen einprägen, die Beziehung der Zellen untereinander, ihre Substanz, seine Ohren, seine Gelenke, seine Schwielen, an so etwas denke er. Das wäre gut, darüber würde er sich freuen, von ganzem Herzen. Sie sollten ihn nicht so erschrocken mustern. Mehr könnten weder er noch sie tun. Ganz ruhig.
Jetzt könne die feine russische Cremetorte kommen, sagte Kornél Esti und starb, völlig unerwartet. Irgendwo erwartete ihn das unendliche Wellington, medium rare, wie es sich gehört.
Ich bin dein
Als der Vorhang aufgeht, fällt in winzigen, stechenden Körnern der Schnee. Es ist nicht kalt, doch wäre es besser gewesen, die Mäntel nicht an der Garderobe abzugeben. Hinter der Szene scheinen wir Nietzsche vorbeihuschen zu sehen. Nehmen wir an, sagt Kornél Esti, ich sei, aus rein dramaturgischen Erwägungen, der Herrgott. Und das versuche ich, in den kommenden (vergangenen) drei Akten nicht verkrampft, aber mit Demut und Bescheidenheit auszubalancieren. Und ich verzichte natürlich auch auf Ironie. Das sagt Esti und, er hat keine andere Wahl, stirbt. Abgesehen vom Schneefall beginnt (und endet!) hier im Wesentlichen das Stück. Der Vorhang wird nie mehr zugehen. (Anrechtler im Vorteil!)
Kuttelkompromiss
Das Bett sah nach Sterben aus. Kornél Esti saß am Rand von Ulrik Vencels Sterbebett, in seiner Hand hielt er die immer schwächer werdende Hand des Mannes. Oder alternde. Er hatte, so glaubte er, diesen Mann gemocht, sofort verbesserte er sich, er mochte ihn, der Mann war noch nicht gestorben, auch wenn er im Sterben lag. Nein, das, was geschah, war passiver: Sein Freund verschwand, verging. Dieser, als spürte er, woran Esti dachte, flüsterte gemessen an seinem Zustand leichthin, wenn auch nicht lachend, so doch heiter, beinahe zufrieden: Kutteln!, Kutteln habe ich immer und zu jedem Zeitpunkt gemocht, wirklich gemocht. Ich also ihn, er die Kutteln … vielleicht die Kutteln mich, Esti wusste nicht, ob dies Ulrik Vencels letzte Worte waren, dennoch begann er bei diesem Kuttelbekenntnis ohne Tränen zu weinen. Auch seine Hand bebte, als würde er dem (nun schon) Toten gratulieren.
So dass leicht
Wie tief soll ich das Becken graben?, fragte Kornél Esti der Gutsverwalter. Esti dachte nach, dividierte, multiplizierte. So dass ein zwölf-, dreizehnjähriges Kind leicht darin ertrinken kann. Der Gutsverwalter dachte nach, dividierte, multiplizierte. Ich verstehe, Herr Kornél, wird gemacht.
Gut
Keine dunklen Wolken, kein Unheil. Die Minuten plätscherten friedlich dahin, die Sonne schien (als hätte es jemand bestellt oder geregelt), eine liebe Frau zwitscherte ihm gerade etwas über das geheimnisumwitterte Leben der holländischen Moorsiedler ins Ohr, als Esti befremdet konstatierte, dass sein Kopf voller Kohlehydrattabellen war. Hülsenfrüchte, Ausrufezeichen, voller solcher Dinge, bis Oberkante Unterlippe, mit Mist.
Auf der Stelle machte er sich ans Verschlingen russischer Cremetorten.
Damit fertig aber erwischte er in seinem Gehirn die Cholesterin- und Triglycerid-Bilanzen. Gib’s ihm, Knochenmark, Kutteln mit Schweinshaxe! Dann aber kamen die Termine für das Bezahlen der Umsatzsteuer, über die Folgen lasse ich mich gar nicht erst aus.
Am Anfang fand Esti in der Zuckerkrankheit den Tod, später ging er, wie seine Mutter, infolge von Gefäßverengung von uns, dann holte ihn der Knochenmann (zuerst habe ich irrtümlich Koch geschrieben) im Schuldturm. Doch natürlich absolvierte Esti – seiner schillernden Figur entsprechend – Herzattacke, Aortariss (auf den Zentimeter genau die gleiche wie bei Misi Figula), Gehirnblutung, was noch?, was es noch gibt, irgendwas ist immer. Was für ein Leben!, jubelte Esti, doch da war es in gewisser Weise schon zu spät.
Zu spät, nicht zu spät, gut, und er zog fröhlich das »u« von gut in die Länge. Und was ist wohl mit diesen armen holländischen Moorsiedlern?
Todeskollektion
Esti, den Säugling im Arm, fiel in die Türglasscheibe und starb (verblutete). * Während der Zeit bei der Armee bezahlte er die leichten Mädchen mit Bohnengulasch, und das musste er bitter (mit dem Leben) bezahlen. * Starr vor Entsetzen hörte er sich an, wie der junge unbekannte Radfahrer mit dem sympathischen Gesicht bemerkte – vorn und hinten am Fahrrad flatterte die Nationalflagge –, Esti habe Schande über seinen Namen gebracht, er sah dem sogleich davonradelnden Mann noch eine Weile hinterher, und erst dann starb er den Heldentod. * Die Welt wird immer schlimmer,
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