Esti (German Edition)
oberflächlicher, entfernt sich immer weiter von den lebenspendenden Wurzeln, der Tsunami der Globalisierung reißt auch noch die restlichen Werte mit sich, den Werterest, die moralische Krise der Welt ist unverkennbar – dieses Lied dudeln viele, als wären sie nicht Teil dieser Welt, als wäre es das Problem der anderen, der Kulturpessimismus findet wieder reißenden Absatz, und er teile diese Ansichten zutiefst nicht, sagte Esti und starb. * Esti lebte, dann starb er.
Ohne Titel
Kornél Esti lebte, dann starb er. Ist das dem Leben oder dem Tod zuzurechnen? Es wäre gut, noch eine Zeitlang zu leben.
KORNÉL ESTI
Erstes Kapitel
in welchem Das Fahrrad des Kornél Esti oder
Die Einrichtung der Welt
Z u seinem Vater blickte Kornél Esti gemeinhin wie zu Gott auf, als sein Vater ihm aber jenes gewisse Fahrrad kaufte, ganz und gar. Ein Atheist wie zu Gott. Die leicht über die Lippen kommenden Vergleiche ordnen den Lauf der Welt niemals auf befriedigende Weise, denn es gibt Myriaden von Atheisten, kämpferische, müde, entsetzte, interessierte, wie auch von Göttern: kämpferische, müde, entsetzte, interessierte. Vielleicht müsste ich von Gott hier in der Mehrzahl reden, aber ich gebe zu, auf primitive Weise war das für mich immer eine Schweinerei der Kommunisten, irgendwie hat sich das so in mir festgesetzt, sie befahlen die Mehrzahl, um zu beweisen (!), es gäbe Gott gar nicht. Nicht einmal Gagarin hat ihn gesehen. Deshalb ist die Grammatik gut, sie pfeift auf die Kommunisten und auch auf die Beschimpfung als Kommunist. Esti muss so um die zehn gewesen sein, sein Vater, nehme ich an, etwas älter.
Der Herrgott blickte zu der Zeit gern auf Esti, damals kam er sozusagen auf ihn , wieder einmal; in Estis ernstem und wildem Gesicht fand er sich (anhand unerwartet aufgetauchter alter Fotos) wohltuend wieder. Ich bin stolz, dir zu ähneln, erklärte er gelehrt seinem Sohn, und als Esti den Mund langsam, überlegt, großzügig zu einem Grinsen verzog, zu einem so breiten wie das der amerikanischen Schauspielerin Julia Roberts vielleicht, schien ihm das aus irgendeinem Grund ungeheuer beruhigend, gar ermutigend, als wäre die Welt in Ordnung, nicht nur sie beide verstünden einander, und sie verstünden einander nicht nur wie Vater und Sohn, pfiffen auf die Sitten, auf Ödipus und diesen ganzen Firlefanz (oder Mischkulanz?, Kram wird es wieder, auf diesen ganzen Kram), sondern … nun, ich weiß es gar nicht, kann gut sein, dass allein das lodernde Gefühl der Liebe sie umzingelte und sie es aus Scham sofort auf die Welt ausdehnten, als verstünde auch die Welt sich selbst.
Ich habe mich eben nicht richtig ausgedrückt, Estis Beurteilung von Estis Vater wurde durch den Fahrradkauf nicht besser, wohl auch nicht schlechter. Zum einen, weil Esti seinen Vater nicht beurteilte, er kümmerte sich kaum um ihn, er entdeckte gerade die Welt, das tat er dann in seinem Leben noch ein paarmal, immer wieder entdeckte er die Welt, doch in diesem Fall gehörte sein Vater nicht unmittelbar zur Welt, halt, auch das ist nicht ganz richtig, er gehörte zwar zur Welt, aber nicht zum Entdeckenswerten, mit seinem Vater, so hatte er das Gefühl, war alles in Ordnung, wie mit dem Gartentor, nur die Scharniere müssten endlich einmal geölt werden, denn auch wenn es nicht quietscht, scheint doch etwas nicht ganz ideal, er musste mit seinem Vater nichts anfangen, höchstens dessen launische, ausbruchartige (Zrínyi!) Initiativen im Keim ersticken, dies aber, das Ersticken, erledigte leicht und fröhlich sein bezauberndes Grinsen; zum anderen hielt Esti diese ganze Fahrradkaufgeschichte für keine so große Sache, ich würde sagen, für nichts Besonderes.
Natürlich war er sich darüber im Klaren, dass es um einen außergewöhnlich teuren Kauf ging, denn er hatte lange und gründlich die von mindestens zwei unabhängigen Quellen eingeholten Prospekte, Kataloge, Reklamehefte, Broschüren, Flyer studiert und so die möglichen billigeren Ersatzlösungen auch in Betracht gezogen, ich glaube, bei Katzenauge, Pumpe und Lackierung hätten nur in moralischer Hinsicht (der Wille zählt!) bedeutend zu nennende Einsparungen erreicht werden können, doch Esti hatte Gesichtspunkte, an die ich mich unmöglich erinnern kann, ich fürchte, er hatte Prinzipien, Fahrradprinzipien, strenge Fahrradprinzipien, an denen er … festhalten wäre nicht das richtige Wort, er machte sie mit einer Blasiertheit geltend, als wären sie Naturgesetze, es ist dumm,
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