Esti (German Edition)
einmal mehr in Ruhe sch…?!) und einmal (dreimal! dreimal!) ein mit Lippenstift geschmierter vom Spiegel, und obwohl er schön und vorschriftsmäßig sich selbst misstraute, ihm auch die Selbstironie nicht fernlag und es nicht im Geringsten sein Ziel war, recht zu haben, wenn er nicht recht hatte, bemächtigte sich seiner in diesem Fall die triviale Überzeugung, dass er, da gab es nichts zu beschönigen, recht hatte. Mehr als recht. Er. Manchmal stand er gedankenverloren vor dem Fernseher, sah mit halbem Auge, dass natürlich Dragon Boy lief, betrachtete den nicht ansprechbaren Esti, der wie verhext auf den Bildschirm starrte, und fühlte im Herzen den kalten Hochmut derjenigen, die im Besitz der Wahrheit sind. Der Gegenstand seiner Enttäuschung war natürlich auch er selbst, was seine Gereiztheit gegenüber dem Sohn nur noch steigerte. Zu jener Zeit mied er seinen Sohn, bemühte sich, ihm nicht über den Weg zu laufen. Er sah keinerlei Chance, Esti aus den Fängen von Dragon Boy zu befreien. Aus dessen tödlicher Umarmung. Und Esti schien langsam die vergrößerten Züge der Trickfilmfigur anzunehmen. Nein, das ist doch übertrieben. Obendrein nahm Esti in seinem verwirrten, benommenen Zustand die Serie sogar mehrmals auf eine ängstlich gehütete Videokassette, eine archivierte Erinnerung!, seines Vaters auf, zum Beispiel, was das erwähnte unangenehme Wahrheitsbesitz-Gefühl nur noch verstärkte. Ich habe recht, brummte sein Vater und lief wie ein verschämter Backfisch in den Garten. Und dann hatte der Alptraum von einem Augenblick auf den anderen ein Ende, Esti stieß wie aus dem Wasser an die Oberfläche, schaute sich lachend, prustend um und erinnerte sich an nichts. Nun, eigentlich gab es auch nichts.
Während also Esti gar nicht einfiel, auch nur irgendjemandem könnte die Kaufsumme, die Zahl einfallen, zählte Estis Vater oder überschlug doch zumindest quasi unwillkürlich (!), wie viele Arbeitsstunden die Zahl ungefähr ausmachte; nicht im mindesten wollte er dies Esti unter die Nase reiben, eher begann er ähnlich dem von ihm so gern erwähnten Pawlow’schen Hund aus Reflex die große Zahl durch den oberflächlich geschätzten Stundenlohn zu teilen. Der Hund, wie er dividiert, multipliziert … Über das Ergebnis dieser Mathesis ließ er Esti gegenüber zwar nie ein Wort fallen, doch er hätte es für nicht völlig verfehlt gehalten, wenn dieses ansehnliche und in seiner Sachlichkeit, er würde sagen, eher langweilige als belanglose Auftauchen der Arbeitstage, der Arbeitszeit (Esti) die Einrichtung der Welt hätte zeigen können, dass, wie es die bärtigen Schulmeister ausdrücken, nichts umsonst ist, alles seinen Preis hat; er würde eher sagen, dass dies Esti an eine wichtige Lehre der Bibel erinnern könnte, daran, dass wir aus dem Paradies vertrieben sind, kurz, der Schweiß unseres Angesichts!, dass unser Leben vom Schweiße unseres Angesichts erfüllt ist, die Welt von dieser salzigen, bitteren Ausdünstung erfüllt ist, sein Sohn weiß das nicht, weil weder er noch dessen Mutter es ihn gelehrt haben, Esti will es auch gar nicht wirklich lernen, wahrscheinlich denkt er, dass es gar nicht stimmt, nicht notwendig so ist, das sieht er in Estis unendlichem (ins Unendliche sich verlierendem) Blick, auf der heiteren Stirn, daran, wie Esti wirbelnd rennt, er sieht es an den auffliegenden Händen, den springenden Gedanken, er sieht diesen Ehrgeiz, den er auch sehr respektiert, wann soll man alles wollen, wenn nicht, solange man dieses Alles (das sogar noch endlicher als endlich ist) noch nicht kennt, nichtsdestotrotz würde er seinen Sohn gern warnen, sei vorsichtig, mein Kleiner, er würde ihm nicht die Flügel stutzen wollen, er wäre in der Tat der Letzte, der hier Flügel stutzt, obwohl, wenn schon Flügel, dann vergessen wir nicht Ikaros’ wehmütige Luftsegelei.
Oft murmelte Estis Vater so vor sich hin, doch selten zog er daraus Konsequenzen, selten folgten den Worten Taten, gewiss wurde er dieser typisch väterlichen Gedankengänge immer wieder müde, auch der Aufgaben wurde er müde, der Vaterschaft, der väterlichen Kleinarbeit, und er mochte die Momente, wenn er neben Esti herumstand und das Gefühl hatte, er stünde neben sich selbst. Dann war er der beste Vater.
Als Esti mit dem neuen Fahrrad eintraf, konnte man nicht feststellen, woher das plötzliche Licht stammte, wodurch es verursacht wurde, durch Esti oder das Fahrrad. Sie standen im Licht, Esti, die Eltern, der Garten. Scherzhaft
Weitere Kostenlose Bücher