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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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oberflächlich in der Ausführung nennen müssen, in einer einzigen Figur, nämlich Tartarin, den Einfallsreichen Hidalgo und seinen Schildknappen zu verschmelzen.
    Grob gesagt mutete Menard von außen an wie Sancho und im Ganzen wie der Hidalgo. Nicht klein und gedrungen (wie das an sich (!) auch Sancho Panza nicht ist), doch alles an ihm war rundlich, also Körper. Don Quijote hat gar keinen Körper oder nur als Merkzeichen, als Merkzeichen des Geistes für sich selbst; der Körper als sein eigenes Fehlen. Der Körper, der Körper des Hidalgo ist nur dazu da, damit jemand stolz auf seinem stolzen Ross sitzen kann, damit er den mit kleinen Eisenstangen verstärkten mehr als perfekten Helm und Harnisch irgendwo hintun kann, damit es eine Hand gibt, die unser tapferes Schwert sausen lassen kann. Der Don-Quijote’sche Körper ist zwar dem Geist untergeordnet, ist aber nicht dessen Gefängnis, er zieht diesen nicht runter, ist nicht schmutzig, sondern ein Werkzeug. Er ist nahezu durchscheinend, gasförmig. Wir wären gewiss überrascht, blutete er. Dieser Körper ist leicht, knochig, trocken.
    Sancho ist schwer. Schwer, fleischig, nass. Er drückt die Schönheit des Schweren aus. Ich behaupte nicht, dass der Hidalgo kein Realist ist, es stimmt nicht, dass er in einer anderen Welt lebt, oh, in einer poetischen, wie es heißt, nein. Doch Sancho Panzas Realismus ist ein anderer. Der Hidalgo redet über die Schönheit der Welt, die wir nicht sehen, die wir vergessen, zwar nicht über eine geheime Welt, doch über eine, die gerade dieser Don-Quijote’sche Blick entdeckt, dieser wahnsinnige, verliebte, Einzelnen zufolge mystische Blick. Sancho hingegen zeigt die Schönheit der sichtbaren Welt, der vor unserer Nase, die immer schon da war, es brauchte nur einen Sancho Panza, um sie auch wahrzunehmen. (Vergessen wir nicht, Sancho hat nur neben Don Quijote einen Sinn .)
    Alles an Menard war rundlich, nur seine Hände nicht. Diese flogen mit solcher Schwerelosigkeit auf und deuteten die Ordnung, Form, das Luftholen seiner Gedanken oder, besser, seiner Sätze genau an, als hätte El Greco persönlich sie gemalt. Als wären seine Hände die von Beckett oder János Pilinszky gewesen. Doch seine Gotizität (sei dies das vereinfachende Synonym für Donquijotismus) zeigte sich, verkörperte sich pars pro toto nicht in ihnen, sie waren eher als eine Art Scherz zu verstehen, als der launische Humor der Natur.
    Ich möchte mich nicht in die Analyse der wundervollen und erhebenden Beziehung zwischen Menard und dem Quijote einmischen, sie ist eine allzu bekannte und allzu unbekannte Tatsache der Weltliteratur (Ruhe HERR Goethe in Frieden!); seinerzeit wusste ich von ihr noch nichts, ich traf zufällig ins Schwarze, dass aber Menard damals auf dem Gang der kleinen, hauptsächlich (ausschließlich!) aus Mädchen bestehenden Gesellschaft, die ihn staunend umgab, gerade aus seinem entstehenden Werk (dem Don Quijote ) zitierte, diese Koinzidenz geht erneut auf das Konto des Humors der Natur oder Schöpfung, und da läge es offenbar auf der Hand, über die Art dieses Humors eine verdrießliche Bemerkung zu machen.
    Weder, sagte Menard mit dem Kreis von Mädchen (plus ich!, ich!) kokettierend, Eigennutz noch Furcht, weder Hass noch Liebe dürfte ihn vom Wege der Wahrheit verleiten , deren Mutter die Geschichte ist, die Nebenbuhlerin der Zeit, das Archiv aller Taten, Zeugin des Verflossenen, Beispiel und Rat des Gegenwärtigen, Warnerin der Zukunft .
    Indem ich die winzigen (doch was ist in der Literatur gewaltig, wenn nicht das Winzige?) Unterschiede zwischen dem Cervantes-Zitat einige Seiten zuvor und den Menard-Sätzen hier bemerke, welche Verschiedenheiten sich aus den Übersetzungen des Cervantes- und des Borges-Textes, aus deren Unvereinbarkeit ergeben und welche im Falle einer eventuellen spanischen (oder auch deutschen – Anm. d. Ü.) Übersetzung, im Falle einer guten spanischen Übersetzung natürlicherweise und doch wie von Zauberhand verschwinden würden (keinen Sinn hätten!), indem ich also all das bemerke, könnte ich auf Csudays ausgezeichnete Studie zurückkommen – ob, sagen wir, die von Francisco Rico besorgte »kritische, aber für das breite Publikum gedachte« Quijote -Ausgabe aus dem Jahr 1998 zu Erkenntnissen gelangt sei, die eine Neubearbeitung, gar Neuübersetzung des »als Standard« angesehenen ungarischen Textes rechtfertigten –, aber ich komme nicht darauf zurück, das wäre übrigens so, als oszillierte ich

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