Esti (German Edition)
nicht in die Quere), mit solcher Kraft, dass es selbst dem Herrn des Hauses stille Anerkennung abnötigte. Oder, besser, Staunen. Er staunte über Gottes Geschöpf, also seinen Bruder, wie dieser seinem Schöpfer zu danken schien. Oder wie sollte man dieses Schwelgen anders interpretieren?
Nun könnte die Geschichte so langsam beginnen. Doch zunächst muss ich (neben dem erwähnten Glücksartigen) noch über zwei, sagen wir, Eckpfeiler in Estis Leben oder Existenz sprechen: über Gott und die Katze, mit anderen Worten über die Angst und den Hass.
Esti hatte ständig Angst vor dem Herrn; wenn es donnerte oder blitzte oder donnerte und blitzte, begann er, seine Winzigkeit spürend, zu zittern; bei Vollmond heulte er, ich würde es nicht glauben, hätte ich es nicht gesehen, klagend, ja, klagend den Himmel an und erfüllte damit den läppischsten Allgemeinplatz. Der Herr des Hauses war entweder religiös unmusikalisch oder bemerkte hier aus anderen Gründen die metaphysischen Dimensionen nicht, er sah nur, dass Kornél Esti ein Schisser war; wenn du ein Gotteserlebnis hast, freu dich, verdammt, hüpfe, jauchze, dass du es hast, nicht in Panik gegen die Tür springen und vor allem nicht gegen die Scheibe der Terrassentür, weil sie kaputtgehen wird, verdammt, Kornél, und die Versicherung wird nicht zahlen, Kornél, und was wird dann. Du weißt nicht einmal, was Geld ist, dämlicher Hund. Sag nicht »Kreditkarte«, ich verpasse dir einen Fußtritt. Angsthase. Esti war nicht in dem Zustand, das Gesagte und das Nichtgesagte abzuwägen, er zitterte am ganzen Leib und beobachtete mit ganzer Konzentration den sich öffnenden Türspalt, um in die Wohnung stürmen zu können. Mensch drinnen, Hund draußen, der Herr des Hauses hielt an dem als konservativ oder zumindest formal zu bezeichnenden Weltbild fest, Esti begehrte auch gar nicht dagegen auf, empfand es nicht als unwürdig, das Zimmer interessierte ihn ansonsten nicht, und auch die Kälte ertrug er besser, als die im Haus anzutreffenden unterschiedlich alten Frauen dachten, während sie, hysterisch flehend, drohend bemüht waren, das Drinnenwohnen als natürlich hinzustellen. Schließlich hatten die Schöpfer des Golden Retriever einen Hund gewollt, der das geschossene Wild aufstöbert und dem Jäger zuträgt, einen Jagdhund also. Sicher, das ist lange her, seitdem ist schon viel verdünntes Blut die Abstammungslinie hinabgeflossen. Estis Jagdkünste lagen tief in der persönlichen und gemeinsamen Vergangenheit begraben, und da bin ich noch höflich.
Estis Angst nahm so spektakuläre Formen an – mit dem den ganzen Körper schüttelnden Zittern im Zentrum –, dass dies selbst den Herrn des Hauses rührte, ihm Mitleid abrang, ihn störte nicht einmal, dass aus dem Maul des schlotternden Esti der Speichel nur so floss, Zitterspeichel, man musste ihn hinterher vom Parkett aufwischen. Die metaphysische Erklärung hinkt vielleicht trotzdem, denn Esti erschrak auch schon bei Feuerwerk, die Tiefpunkte des Jahres waren Silvester und der zwanzigste August, in diesem Satz eher das Fest des Brotes und der Verfassung als das unseres Königs Stephan des Heiligen. Ach was, Feuerwerk! Wenn der Satansbraten der Nachbarn – ihr Enkel?, aber greifen wir nicht vor –, trotz zahlloser Ermahnungen!, regelmäßig und ohne jeden ersichtlichen, das heißt berechenbaren Grund mit Knallern spielte, floh Kornél Esti schon unter den Flügel. Flucht des Kornél Esti , zu Recht kann ich davon ausgehen, dass mehr dahintersteckte als diese kleinliche, tierische Angst. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass der Gott des einundzwanzigsten Jahrhunderts im Vergleich zu, sagen wir, dem des Alten Testaments etwas geschrumpft und das ahnungsvolle und wilde, das Firmament erleuchtende Zickzack der Blitze auch metaphorisch vom gelangweilten Geböllere eines Bengels abgelöst worden ist. Esti konnte den Unterschied mit Hilfe seiner Phantasie ergänzen. Wenn für ihn dieser Unterschied überhaupt existierte. In Estis Erlesenheit, denn diese Erlesenheit steht außer Frage, lag eine Einfachheit, ein vornehm derber Sinn für das Praktische; wie bei guten Fußballspielern. Mit vier Beinen kann man natürlich nicht oder nur ungeschickt Fußball spielen, wir können noch so folgerichtig denken, vier sei mehr als zwei.
Für den Katzenhass-Pfeiler hole ich weiter aus. Von Kornél Esti nähme ich zu Recht an, dass er die Freiheit, die Ungebundenheit schlechthin verkörpert. Andererseits ist da die allseits
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