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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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kreuzen. Im Erstlingswurf werden vier Welpen geboren, diese bilden die Grundlage für die Entstehung Kornél Estis. Ich breche hier ab, es ist klar, wie und worauf das hinausläuft, höchstens noch so viel, dass Esti, seiner Rasse gemäß, außerordentlich sanft zufasste, sogar Eier war er fähig zu apportieren, und dieses weiche Maul, darüber könnte ich wirklich viel erzählen, so erregend war das …
    Esti erfüllte die meisten Hundegemeinplätze. Wenn er dich ansah, konnte man nichts anderes denken, als dass er jenen traurigen Hundeblick hatte. Darin steckte auch etwas Theatralik, er blickte wie ein schlechter Schauspieler, der die treuen Hundeaugen mimt. Kornél, hör sofort damit auf, sei so gut – doch er tat, als verstünde er nicht, was man von ihm wollte. Esti war symmetrisch, lebhaft, kraftvoll, hatte eine ausgeglichene Bewegung, war gehorsam, intelligent, freundlich, liebenswürdig und zutraulich, zu Hause wurde er dennoch nicht wirklich geliebt, das heißt, vor allem der Herr des Hauses mochte ihn nicht. Es war noch weniger als Antipathie, eher war es Gleichgültigkeit, die er mit großer Mühe verteidigte; Estis einschmeichelndes Wesen, seine fast schon kitschige Gefallsucht erleichterten die Situation des Hausherrn nicht, manchmal kam er beinahe in Versuchung, HERR UND HUND zu spielen, Estis wohlgeformten, breiten, aber nicht groben, gut auf dem Hals sitzenden Schädel zu streicheln, den Ansatz des mittelgroßen, etwa in Höhe der Augen angesetzten Behangs zu kraulen, mit nicht wenig Selbstmitleid »schon gut, mein Alter, schon gut« zu sagen, in Estis vermuteter Einsamkeit die eigene zu sehen und sie gleichzeitig zu teilen … Dann irgendwie doch nicht. Wenn aber Esti etwas falsch machte, sagen wir, von plötzlicher Vegetarierleidenschaft gepackt die Tomatenstöcke ausbuddelte, dann bedeutete die fehlende Liebe, dass nichts die ungeduldige Gereiztheit zügelte. Wie öde so eine leidenschaftslose Beziehung doch ist, dachte Esti in seinen dunkleren Stunden – so würde ich mit Worten jene Stellung übersetzen, die Rute (ohne Biegung am Rutenende!), Ohren, Augen zuweilen zeigten; wenngleich Esti oft das Gefühl hatte, die Wörter nicht ganz zu verstehen, nur zur Hälfte oder, aus dem Weg, falsche Bescheidenheit!, zu drei Vierteln, vier Fünfteln, fünf Sechsteln, doch könnte ich selbstbewusst bis wohin auch immer fortfahren, jedes Mal bliebe ein kleiner Rest, ein schmaler Ring im Definitionsbereich des Wortes, ein kleiner Unterschied zwischen dem Ganzen und dem Besitzbaren; mir scheint, es gibt so einen Aufschnitt, oder war es Schinken?, mit Fettring. Nun, das ist jetzt kein kraftvoller Vergleich geworden.
    Ganz zu schweigen davon, dass Esti nie Aufschnitt, Schinken, immer nur das langweilige Hundefutter bekam, jeden Abend zur gleichen Zeit. Dem Herrn des Hauses war selbst das zu viel, er lancierte die Reste, den einzigen Grund und Zweck eines Hundes sah er in der Vernichtung dieser sogenannten Reste, in der Restevertilgung, seiner Ansicht nach war auch die Beseitigung leicht verdorbener Reste primär Hundeaufgabe, ich ziehe es also zurück, Esti hatte schon an den Enden vertrocknet sich aufrollenden Aufschnitt, schleimige, fleckige Lyoner, die in den Tiefen des Kühlschranks vergessen worden war, oder ins Blaue spielenden, aufgeweichten Rollschinken bekommen. Der Herr des Hauses vermochte seinen Prinzipien offiziell keine Geltung zu verschaffen, er konnte lediglich knurren (als wäre er selber ein Hund!!!, könnte ich scherzhaft sagen), gut, dass Seine Majestät nicht noch extra Kalbsschnitzel bekommt!, so dass er gezwungen war, all das heimlich in Estis Futter zu schmuggeln oder es ihm extra zu geben, als wäre es eine besondere Delikatesse. War es auch, eine Delikatesse, Esti leckte dankbar die dazugehörige Hand. Der Herr des Hauses schüttelte sich angewidert. Wenn er mich mögen würde, wäre auch das nicht so, dachte Esti und leckte die Hand noch einmal.
    Nun, mag sein, ich wäre an Kornél Estis Stelle nicht glücklich, mag sein, auch er ist es nicht – nichtsdestotrotz ist er auch nicht unzufrieden, seine Gefühle wurden zwar nicht durchweg erwidert (das heißt, sie wurden überhaupt nicht erwidert), doch jene gewisse disziplinierte Aufmerksamkeit bedeutete dennoch Sicherheit. Und es gab den großen Garten, in dem Esti manchmal, scheinbar ohne Grund, losstürmte, so schnell, harmonisch (seine Gliedmaßen waren, gleich aus welchem Winkel betrachtet, nie ein- oder ausgedreht, kamen einander

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