Esti (German Edition)
gelang es Esti sogar, den jungen Mann glauben zu machen, er sei schuld. Lange freilich konnte das Tor nicht offen bleiben (auch Esti vermochte allem zu widerstehen, nur der Versuchung nicht), doch konnte man zum Beispiel in Ruhe mit dem Auto raus- und reinfahren, währenddessen huschte er nicht hinaus. Es sei denn.
Es sei denn, und hier folgt der versprochene Eckpfeiler, es wurde, nun, ich würde schätzen, rund hundert Meter, aber siebzig sicher, innerhalb dieses Radius eine Katze, felis catus, platziert (vom Schicksal, vom Schöpfer oder, sei es diesmal der Geier, weiß der Geier, von wem), dann stürzte sich Esti wie aus der Pistole geschossen, jetzt kamen die vier Beine gewiss wie gerufen, »in nämliche Richtung«. Seine Beschleunigung war hervorragend, wie die des Trabant in der Trabant-Gebrauchsanweisung, eine angemessene und gut koordinierte Schrittlänge aufweisend. (Gleich aus welchem Winkel betrachtet, sind die Gliedmaßen nie ausgedreht oder kommen einander in die Quere, ah, das hatten wir schon. Mit der Erhöhung der Geschwindigkeit verschieben sich die Beine hin zur Mitte der Schwerlinie. Es ist ratsam, Kornél an der lockeren Leine zu präsentieren, damit die natürliche Bewegung erkennbar wird.) Ich meine, weder sah noch hörte noch roch er die Katze, er spürte sie. Selbst dann, wenn sie weit weg unter einem parkenden Auto lag; er gewahrte sie.
An das, was auf so ein Gewahren folgte, denke ich lieber nicht, wenngleich es durchaus zur Vertiefung des gängigen Esti-Bildes beitragen kann; Esti rüttelte und schüttelte mit wilden Seitwärtsbewegungen die am Nacken (ich muss auf das schöne, doch an dieser Stelle zu beschauliche Schlafittchen verzichten) gepackte Katze, die Bewegung könnten wir sogar als spielerisch bezeichnen, wäre nicht die Schnauze unseres Helden blutig nass … Obgleich dies jeder im Haus verurteilte, ohne Wenn und Aber, kein heimlicher Stolz die Situation verkomplizierte (»diesem nichtsnutzigen Vieh haben wir es aber gezeigt«), fielen die Reaktionen dennoch unverhältnismäßig milde aus, schlafittchenhaft, auf die Brutalität der Natur ist die Sprache nicht vorbereitet, böser Hund, das darf man nicht, wiederholte man mit müder Pießie, nur der Herr des Hauses schwieg und musterte mit überraschtem Interesse Esti, wie der gemächlich, zufrieden und sehr ruhig, als wäre nichts geschehen, zurückspazierte. Ei, ei, lieber Kornél, was nur steckt in dir …
Es war ein funkelnder Herbst, die Sonne schien schon schräger, die Schatten zeichneten sich schärfer ab, die Wärme war wie ein unerwartetes und nicht verdientes Geschenk, Kornél Esti konnte in jeder Minute wissen, dass der Sommer vorbei war, und konnte in jeder Minute spüren, dass das Wetter schön war, er wälzte sich blinzelnd unter dem Apfelbaum, Daseinsfreude, Daseinsfreude ohne Worte, welcher Apfelbaum jedes zweite Jahr eine verblüffend reiche Ernte brachte, so auch jetzt, als schließe er sich Estis Daseinsfreude an; Esti pflegte zum Apfel eine mehrfunktionale Beziehung, zunächst spielte er mit ihm, im Grunde genommen wie mit einem Ball, er biss sanft auf ihm wie auf einem Lebewesen herum, rollte ihn mit der Nase im Gras vor sich her, versetzte ihm, wenn er liegen blieb, mit den Vorderpfoten einen leichten Stoß (sofort zeigte sich der Vorteil der Äpfel gegenüber den Igeln), Kornél Esti erwies sich als leichtfüßig wie sein Ruf, und er spielte, bis er schließlich alles samt Griebs verschlang, und dieses Verschlingen war ebenfalls Esti.
Da klingelte es, was Esti nicht überraschte, im Liegen, vergraben im Apfel hatte er das Auto bereits gesehen, wie es vor dem Gartentor hielt, er rührte sich nicht. Er träumte gerade von einem anderen Leben, unterdessen schnappte er immer wieder in die Luft nach einer Fliege, zumeist erwischte er sie, er war schwach in Bio, wusste nicht, dass Fliegen schwach sind wie die Fliegen, so auch sterben – Fliege und Apfel!, gastronomisch ein schwer vertretbarer Standpunkt! –, nicht dass er mit seinem jetzigen Leben unzufrieden gewesen wäre, er liebte alle Einzelheiten dieses Lebens, die Fliege, den Apfel, das Jagen, die Katze, die Menschen um ihn herum, den Herrn des Hauses betrachtete er als seinen Herrn, der für die Verstehbarkeit der Welt garantierte, die leichte Distanziertheit nahm er zur Kenntnis, und letztlich pfiff er auf sie, wenn ich ihn liebe, dann ist Liebe, ungefähr so fasste er seinen (ontologischen) Optimismus zusammen; das andere Leben war Wort für Wort so
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