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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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nichts mehr an, im Wesentlichen, Paaar, er atmet die Luft aus – richtig, zum letzten Mal.
    Ein Künstlerehepaar setzt sich, wenn sie Maler sind, gemeinhin aus einer Malerin und einem Maler zusammen. Einmal hat Esti – gerade an den majorschen Ton denkend – den Maler gefragt, ob wohl auch sie wohl immer wohl das letzte Bild malen. (Die Malerin wagte er das nicht zu fragen. Auf das Warum hätte er nur schwer eine Antwort. Sie würde eher die Malerin, nicht so sehr Esti charakterisieren.) Der Maler mag es (und/denn er vermag) zu ripostieren, überhaupt »geistreich egal worüber zu reden«, zu konversieren, als gäbe es noch den Salon, den Salon als solchen. Die Malerei ist verschwunden, kicherte der Maler finster, im zwanzigsten Jahrhundert ist die Malerei, bekanntlich, verschwunden. Das zeigt sich, sieht man an der heutigen Malerei. Und es führt nicht zur Absurdität der unmöglichen Möglichkeit, zur Ergriffenheit des Kampfes gegen das Nichts, vielmehr zu einer Art Frieden.
    Hm, dachte Esti dort im Bett darüber nach, doch fand er in sich (an sich) keinerlei Frieden. Natürlich, der Frieden ist nicht identisch mit der Ruhe. Er entdeckte an sich ein Van-Dyck-Braun. (Y, nicht i.)
    Treten wir, meine Leser, auf den Flügeln der Vorstellungskraft in ein Konkretes ein und schauen wir uns ein wenig um. Das Konkrete ist deshalb gut (heilsam), weil es konkret ist, so kann man es sich vorstellen, was das Lesen erleichtert, während nichts der Vorstellungskraft Grenzen setzt, am wenigsten das Konkrete. Deshalb ist es schwierig, in das Konkrete einzutreten. Einzutreten, das heißt es zu erschaffen. Zu erschaffen, das heißt, ihm nicht verhaftet zu sein.
    Der Maler konnte am Morgen (aus unruhigen Träumen – doch lassen wir das jetzt) hochschreckend nicht weiterschlafen – vermutlich infolge des am vorhergehenden Abend zwar maßvoll, doch in großen Mengen konsumierten Grappa –, er schlich also auf Zehenspitzen aus dem Haus, der casa (das Konkrete nahm toskanische Konturen an), und machte, als wäre es ein Geheimnis, als begehe er ein Verbrechen, Fotos von der gerade dort, gerade an jenem Tag sich erstreckenden hügeligen Landschaft. Nebelmäntel schienen die Morgendämmerung geheimnisvoll zu machen, feine Schleier, und hinter ihnen als elegantes Bühnenbild die fernen Berge, mit ungarischen Augen wild und nicht zu zügeln; irgendwie blaugrau – oje, bloß nichts mit Farben anfangen! –, doch man spürt an der Farbe, dass der Philosoph recht hat: Die Chancen für unsere Annahme, dass die Sonne auch heute aufgehen wird, stehen gut. »A schwarz E weiß I rot U grün O blau – vokale Einst werd ich euren dunklen ursprung offenbaren«.
    Währenddessen schlief die Malerin.
    Der Maler ist unruhig, die Malerin ruhig. Natürlich dient die Unruhe der Ruhe, die Ruhe der Unruhe zur Tarnung. (Wäre es doch kein Künstlerehepaar, dann gäbe es nicht diese hin und her gezerrten, symmetrierenden Sätze.)
    Danach – nach dem üppigen Frühstück, all die viele nomen nescio Wurst und Salami, wer weiß denn, was alles in so einer toskanischen Kleinstadt vorkommt!, und alle haben einen Namen!, ein seriöser Mensch kennt diese auch! – lud der Maler die Bilder auf seinen Laptop, dann stellte er seinen Laptop auf einen beachtlichen (unförmigen!) Tisch und begann mit den Vorbereitungen für das Malen. Der Maler hatte – zu der Zeit – die Wasserfarben für sich entdeckt. Er war von Aquarellen ganz hin und weg. Er stürzte sich auf sie wie … lassen wir diesmal die Geier, wie der Bettler auf den roten Heller. Der blutrünstige Bär auf die satte Mücke. Nun ja, so ist das, wenn jemand eine Periode hat. Wie gut, dachte Esti, auch dies, dass die Maler Perioden haben, blaue Periode und so. Schriftsteller periodisieren seltener auf diese Weise oder nur insgeheim, sie sagen es nicht – schade.
    Die Arbeitspläne zur Aquarellmalerei-Vorbereitung führen wir hier nicht detailliert aus, beide Seiten aber müssen nass sein (damit es nicht von hinten trocknet). Das Papier ist geschöpft – wer ist denn der Schöpfer? –, auf jeden Fall reißt es nicht entlang der Fasern, das wird später noch von Bedeutung sein.
    Wie Christus auf dem Mantegna-Bild, so konnte auch Esti an sich herabsehen, er sah auch keine konkreten Formen, höchstens Formen von Formen; jedoch entdeckte er an sich nach dem Van-Dyck-Braun etwas Pariser Blau. Das Pariser Blau ist süß und tief und dramatisch, sagt (sagte) der Maler. Das Pariser Blau? Vielleicht grüner;

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