Esti (German Edition)
verloren – – – eine ganze italienische Familie, drei Generationen, alle reden auf einmal – – – die große Tochter hat einen unglaublich kugelrunden Arsch – – – ein Arsch, notiert Esti, das lohnt sich zu notieren – – – Claudia Cserkaszegi trägt den Fall vor – – – zwei Organe, ein junger Ermittler in Zivil, Typ Alain Delon, doch unter diesen ist Alain Delon der beste, die anderen sind nahezu ohne Ausnahme von der Schönheit aufgeweicht, der zweite ist beleibter, in Uniform, er tippt – – – wie ein Schwarzweißkrimi aus den siebziger Jahren – – – film noir – – – Esti konnte die Augen nicht von der Pistole abwenden – – – das Tippen und die Pistole – – – eine gigantische, in Estis Augen gigantische Pistole, wie ein Maiskolben, halb in den Bauch gedrückt – – – oder der Bauch wölbt sich über die Pistole, bedeckt sie, begräbt sie unter sich – – – der Bauch als Lawine – – – nur diese warme, verschwitzte Fettlawine – – – die Hände wie Schaufeln, die dicken Wurstfinger, wie sie tippen – – – überhaupt: ein tippender Polizist als solcher: zum Schießen – – – die Kollegen, wie sie mit dem Formulieren kämpfen, denkt Esti zärtlich und hochmütig.
Die Familie ist verschwunden – – – sie war, ist nicht mehr – – – ein kichernder alter Mann lugt zur Tür herein, die Zähne fehlen, er könnte bei Fellini den Dorfdeppen oder bei Pasolini Christus spielen – – – den tückischen Diener bei Gogol – – – darf ich hereinkommen?, fragen seine Augen, Esti bedeutet ihm streng »Nein«, als wäre er hier der Chef – – – noch bevor der Alte erschrocken zurück auf den Flur verschwinden kann, erblickt er Estis unerwartetes, freundliches Grinsen, worüber er noch mehr erschrickt – – – mein vornehmer Herr, Herr General, Gnade, Gnade! Cserkaszegi scheint eine Vorlesung zu halten, in ein getrost als interessant zu bezeichnendes, vom Gegenstand her Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfassendes Gespräch vertieft, konnte meine sogenannte Fahrerkonzentration nicht optimal genannt werden – – – Giuseppe, caro, schreib das noch nicht, der Klient stimmt sich erst ein, schreib: Frau Cserkaszegi – – – wenn du das schreiben kannst, denkt Esti, bist du morgen der Polizeichef der Stadt – – – Fräulein, Meister, bitte schön, jedes Mal Fräulein, pflegte Frau Cserkaszegi zu sagen, als kokette Paraphrase der Koketterie, doch sie wollte nichts von Esti – glaube ich zumindest –, und Esti schätzte das, zumindest glaube ich das. Die Professorin zeigt auf die Karte, dann in einen Kreisverkehr und zurück über die Brücke und dann hätten sie hier angehalten – – – oder besser hier – – – Esti betrachtet die Finger auf der Karte – – – er schreibt auf seinen Zettel: Karte, Finger – – – der ermittelnde Oberkommissar wirft einen Blick darauf, nickt – – – nickt verständnisvoll – – – und streichelt plötzlich, wie ein guter Vater das gute Kind, Estis Schulter.
Sie fuhren zur Umgehungsstraße Richtung Taranto, dann Richtung Modugno – – – Jetzt hast du zweimal Richtung geschrieben – – – was soll ich machen!? Richtung ist Richtung, wenn zweimal, dann halt zweimal – – – Wie süß sie doch sind, wenn sie sich um ein Wort zanken – – – der ermittelnde Beamte beugt sich zum Bildschirm – – – klassisch über den Nacken des Schreibers – – – die ewige Tippse! – – – Wieder dieser zärtliche Hochmut, diese überhebliche, kollegiale Anteilnahme – – – Der Ermittler holt tief Luft, ich diktiere, sie führte zur Baustelle eines Industriegebiets – – – es ist aber verdammt heiß, schreib das nicht – – – Auf dessen Höhe hielten sie an – – – hielten sie an oder hielten wir an? – – – Hielten wir an geht, dann setze es aber in Anführungszeichen – – – wie werden Anführungszeichen gemacht? – – – das fragst du zum tausendsten Mal, frag nicht noch einmal – – – wir hielten an, um uns auf der Karte zu orientieren, ist das richtig, Fräulein?, gut, mein Lieber, sehr gut, als hinter uns ein junger Mann auftauchte, blitzschnell die linke Hintertür unseres Wagens aufriss, Kennzeichen usw. usw., und die dunkelgraue, kleinformatige Stofftasche griff, die auf dem Rücksitz platziert war.
Da gibt es dieses Gefasel, richtiges Gefasel, Esti sei aus Portugal heimgekehrt, wo er portugiesisch, in der Sprache der Blumen, gesprochen
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