Esti (German Edition)
ministriert haben, das müssen größtenteils Rómaifürdőer Tote gewesen sein. Der Blitz hat also in unserer Nähe eingeschlagen.
Blödsinn, ständig stirbt jemand, Urgroßmama (die königliche), Onkel (der geheimnisvolle), die Großväter waren irgendwie von vornherein tot. Immer ging jemand zu den ewigen Jagdgründen. Auch meine Mutter starb, sie schwand dahin, das Leben fraß sie auf, dieses wilde, rohe mitteleuropäische Leben, dann starb auch Vater, mein Vater, er starb schön, ruhig, nicht so, wie er gelebt hatte, obwohl er am Ende, so sah ich es, schön, ruhig gelebt hatte.
Doch auch wenn so viele sterben, starben und sterben werden, lange Zeit können wir nicht daran denken, dass sich das auch auf uns bezieht, wir weigern uns, daran zu denken, während wir auch nicht an das ewige Leben glauben, daran, ewig zu leben.
Es gibt (natürlich) Menschen, die alles vom Tod ausgehend sehen, auch den Tod, ganz zu schweigen vom Leben.
Nachdem meine Frau den Hörer aufgelegt hatte (das heißt, sie drückte einen Knopf), ihre Hand hing herab, als würde sie nicht zu ihr gehören, fragte ich ungeduldig, welcher Misi? Du Unseliger, schrie sie auf – – – gar nicht Schrei – – – etwas zwischen Keuchen und Brüllen – – – im Dreieck von Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit und Verachtung – – – gut, dass ich nicht ihren Blick sah, wie er vom todesnahen Grau in das kalte Grau der Aussichtslosigkeit in Bezug auf mich wechselte – – – ich sah ihn nicht, weil sie schluchzend gegen meine Brust fiel – – – auf sie einschlug, als hätte ich einen riesigen, gewölbten, männlichen Brustkorb – – – Du Unseliger, wieso welcher Misi?! Na, der Misi! Der Misi!
Ihre Stimme sprach – schnarrte, kratzte, bebte, heulte – so, dass ich nicht beleidigt sein konnte, beziehungsweise, ich war beleidigt, mein Beleidigtsein war schneller als ich, doch ich beachtete es nicht. Sein Herz, meine Frau schluchzte und rannte in den Garten, ich weinend hinterher. Wir standen im schönen Grün, im blassen verheißungsvollen Licht – wie in einem Film waren wir kein bisschen real. Ich erwartete noch nicht einmal, dass wir aufwachten.
Fahren wir jetzt gleich zu ihnen, sagte sie plötzlich und schniefte. Zweihundert Kilometer, kam mir sofort in den Sinn, aber ich hatte keine Zeit, mich zu schämen. Die Sonne schien von weit her, als wäre es strahlender Frühling, König Mátyás aber trägt Sorge für die Gerechtigkeit. Er sitzt da oben in der Burg des guten Buda und trägt Sorge. *** Stimme war so, dass ich denke, wir müssen fahren. Ich nickte, ich verstehe, und sie solle auch fahren, aber besser allein, ich würde nur stören, sie beide werden schön zusammensitzen, ich wäre das fünfte Rad am Wagen, das wäre so, als führen wir zu Besuch.
Ich blieb regungslos dort stehen, meine Frau machte sich fertig. Ich wollte nicht nur aus dem Grund nicht fahren, den ich genannt hatte, obwohl ich tatsächlich so dachte, arrogant gesagt: In das Überlebenstraining zweier Frauen muss man nicht hineinpfuschen.
Sondern. Sondern, nun, das Übliche, seit fünfunddreißig Jahren das Übliche, seitdem sitze ich ununterbrochen an meinem Schreibtisch, ich bemühe mich, das mit immer weniger Pathos zu sagen, freilich, ich sage es immer mehr, doch ich erinnere eher nur daran, dass es so ist; freilich, es überrascht mich – ich wundere mich – immer wieder, dass mein Leben so, so geworden ist, und darin liegt, unabhängig von der Betonung, zweifellos Pathos, so, das heißt, dass mein Leben mit dieser Schreibtischlerei ziemlich gut, ziemlich vollständig, rundum beschreibbar ist – dass ich also nicht vom Tisch aufstehen wollte, ich hatte mir dieses König-Mátyás-Ding vorgenommen, Mátyás plus (minus) Kornél Esti, im Prinzip hatte ich einen fröhlichen Text geplant (ich schreibe ihn parallel zu diesem, diesen muss ich jetzt, auf der Stelle schreiben, solange er heiß ist (?!), der andere ist eine Bewerbung, das muss sein – Tod, Bewerbung, was für Zwänge sind das eigentlich?, äußere oder innere?; egal, wenn ich schreiben kann, dann innere und fertig), sogar mehr noch als fröhlich, heiter, heiter bedeutet (ganz sicher bin ich mir nicht, hoffe es aber) fröhlicher Textplan, dem zufolge die ganze Welt heiter ist; »fröhlich« ist persönlich, »heiter« ist Welterklärung (wie ich da meinen Vater namens Mátyás hineinapplizieren soll, weiß ich immer noch nicht) – – – ich habe mir schon den Tag vorgestellt, an dem es
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