Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
gedämpftes Klatschen und Lennos leises Lachen hinter sich. Irritiert sah sie sich zu ihm um.
„Geh ruhig hin und schau nach. Es ist nicht gefährlich.“
Er hatte seinen Blick nicht eine Sekunde von ihr gelöst!
Als Olivia die wenigen Schritte bis zum Felsrand überwunden hatte, beugte sie sich leicht nach vorn und wagte einen vorsichtigen Blick hinunter. Der Fels war zwar steil und der stetige Wind wehte ihr hier noch etwas heftiger entgegen, aber dennoch hatte die Felswand eine Steigung, auf der man hätte hinunterrutschen können. Darunter war ein weiterer Absatz, auf dem dichte Büsche und sogar einige Bäume wuchsen, die sie auffangen würden, falls sie hinunterstürzte. Erleichtert atmete sie durch, richtete sich wieder auf und drehte sich zu Lenno.
Mit einem Schmunzeln im Gesicht lehnte er an dem rötlichen, blanken Stein eines Felsbrockens, der eine Seite des Plateaus begrenzte. Er schien es zu genießen, sie dabei zu beobachten, wie sie seinen Lieblingsort erkundete, und das wiederum gefiel Olivia.
Seltsamerweise übermannte sie plötzlich das Gefühl, an dem Ort angekommen zu sein, der für sie geschaffen war. Dies löste den Knoten in ihrem Bauch, der sie seit der Begegnung mit Winema Pavati gequält und ihr Magenschmerzen bereitet hatte.
Hätte sie nicht gewusst, dass sie sich hier versteckten, sie hätte Etenya an diesem befreienden Gefühl teilhaben lassen. Ihr war danach, einfach die Arme auszubreiten und die Welt wissen zu lassen, dass sie zu Hause war. Sie hätte es am liebsten in die Ebenen hinausgerufen. Doch das ging natürlich nicht und war auch irgendwie albern. Sie war niemals an diesem Ort gewesen und erst recht war sie dort nicht zu Hause. Deshalb hob sie lediglich ihre Schultern und lachte Lenno glücklich an. Dabei entdeckte sie eine kleine Spalte, die in die Felswand führte und ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.
„Was ist dort hinter dem Felsspalt? Eine Höhle?“, erkundigte sich Olivia neugierig und zeigte auf die Stelle.
Lenno folgte ihrem Finger mit seinen Augen und antwortete: „Ein einfaches Gewölbe. Da können wir schlafen. Es ist etwas geschützter als hier draußen.“
Interessiert ging Olivia auf die Spalte im Fels zu und betrat den halbdunklen Raum, der sich dahinter auftat. Kaum war sie einige Schritte zur Mitte gegangen, hörte sie plötzlich ein bedrohliches Zischen. Erschrocken blieb sie stehen.
Was hatte sie sich eigentlich dabei gedacht, hier einfach hineinzumarschieren?
Hilflos rief sie nach Lenno, der nahezu geräuschlos hinter ihr auftauchte und sie fast mehr erschreckte, als das Geräusch. Er schien die Situation augenblicklich richtig einzuschätzen, brachte rasch einige der kleinen Öllämpchen, die sich auch dort in den Felsspalten befanden, zum Leuchten und sagte besonnen: „Bleib ruhig, Olivia, und beweg dich nicht! Ich komme sofort wieder.“
Erst jetzt erkannte sie die riesige, eingeringelte Schlange in ihrer ganzen Erscheinung, die in etwa einem Meter Entfernung direkt vor ihr auf dem Boden lag und ihren Kopf gefährlich zischelnd in ihre Richtung erhoben hatte.
Olivia stand erstarrt da und schloss lieber die Augen, was ihr zumindest den Anblick des Reptils ersparte, aber nicht im Geringsten ihre Angst minderte. Sie öffnete diese erst wieder, als Lenno kurze Zeit später mit einem Stock in der Hand zurückkam, Olivia umrundete und sich der Schlange von einer anderen Seite näherte. Ihr Herz feuerte das Blut wie Geschosse durch ihre Adern und ihr wurde schwindlig. Als Lenno die Aufmerksamkeit des Tieres auf sich gelenkt hatte, sagte er ruhig: „Du kannst jetzt langsam rückwärts- und dann hier rausgehen.“
Während Olivia auf weichen Beinen versuchte, seine Anweisungen zu befolgen, beobachtete sie, wie er die Schlange geschickt mit dem Stock fixierte.
Draußen angekommen, lehnte sie sich fassungslos und nassgeschwitzt mit dem Rücken an die Felswand, vergrub ihre Hände zwischen ihrem Körper und dem Stein und ließ den Kopf hängen. Sie schämte sich und kam sich furchtbar naiv und dumm vor. Sie hätte selbst darauf kommen können, dass alles Mögliche in der Höhle lebte.
Olivia nahm nur durch einen vagen Seitenblick wahr, dass Lenno ihr mit der Schlange in der Hand kurze Zeit später folgte. Er hatte das Tier dicht hinter dem Kopf gepackt und warf es über die Felskante in das darunterliegende Gebüsch. Als er sich zu ihr umdrehte, wich sie zerknirscht seinem Blick aus, ließ es aber ohne Gegenwehr zu, dass er, als er zu ihr kam,
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