Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
geholfen hatte, weil er sich nicht entscheiden konnte, schlenderten sie gemeinsam durch den Park. Währenddessen erzählte sie Lenno alles, was sie über das missglückte Attentat und den Staatsstreich wusste. Er hörte ihr die ganze Zeit aufmerksam zu und stellte gezielte Fragen, wurde dann aber immer nachdenklicher.
Später in der Bibliothek vertiefte Olivia sich wieder in ihre Arbeit und kam mit dem Referat gut voran. Den Rest würde sie mit zu Sven nehmen müssen.
Am frühen Nachmittag schaute sie auf ihre Armbanduhr und dachte darüber nach, die Probe ausfallen zu lassen. Zum einen wollte sie gerne mehr Zeit mit Lenno verbringen, zum anderen hatte sie Angst vor der Konfrontation mit Colin. Sie blieb unentschlossen, da sie wegen des bevorstehenden Auftritts im Grunde keine der Proben verpassen wollte.
Lenno schien ihre innere Zerrissenheit zu spüren, denn er hob ebenfalls seinen Blick von seinem Buch und fragte vorsichtig: „Olivia, was ist los?“
Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl nach hinten, zupfte an einem Buchrücken herum und presste die Lippen aufeinander. Eigentlich hatte sie keine Lust, mit Lenno ausgerechnet über Colin und den Kuss zu sprechen. Unschlüssig zuckte sie mit den Schultern und schaute dabei zu ihm hinüber. Er sah sie nicht an, sondern spielte ebenfalls nachdenklich mit den Seiten des Buches, das vor ihm lag.
Also gut , dachte Olivia und gab sich selbst einen Schubs. „Heute haben wir wieder eine Probe“, antwortete sie schließlich betrübt, „aber ich überlege abzusagen.“
Interessiert hob er seinen Kopf. „Wieso? Gibt es Probleme?“
Sie druckste etwas herum. „Ja, mit unserem Schlagzeuger.“
Lenno stutzte, fragte aber nicht weiter. Daraufhin platzte es aus Olivia heraus und sie erzählte ihm, was passiert war.
„Colin akzeptiert überhaupt nicht, wenn ich Nein zu etwas sage!“, beendete sie ihren Bericht aufgebracht.
Er nickte zustimmend. „Dieser Colin braucht vermutlich eine eindeutige Ansage, wie weit er gehen darf und wo für ihn die Grenze ist.“
Einen Moment lang sagte keiner von beiden etwas. Lenno schaute wieder auf das Buch in seiner Hand und Olivia vergrub ihre Hände tief in ihren Hosentaschen.
Irgendwie hatte sich etwas geändert. Nachdem sie jetzt mit jemandem darüber gesprochen hatte, erschien ihr das Problem gar nicht mehr so unlösbar. Vielleicht sollte sie doch zur Probe gehen.
„Ich habe hier in den ausgeliehenen Büchern einige Seiten markiert, die ich mir kopieren will. Das mache ich mal eben“, verkündete sie und hielt dabei ihre Bibliothekskarte hoch, mit der sie den Kopierer benutzen konnte. Lenno sah sie erstaunt an und nickte stumm.
Am Kopierer angekommen, bemerkte Olivia bald, dass er ihr gefolgt war. Er beobachtete sie aufmerksam, wie sie immer wieder die Bücher auf die Glasplatte legte und danach ihre Ausdrucke aus dem seitlichen Schacht herausnahm, um sie zu sortieren. Schließlich reichte er ihr sein Buch und fragte, ob sie ihm ebenfalls eine Seite kopieren könnte. Weiterhin mit der Frage beschäftigt, ob sie zur Probe gehen sollte oder nicht, fertigte sie ihm zwischendurch eine Kopie an, ohne darauf zu achten, was es war.
Als Olivia fertig war, sammelte sie alles zusammen und wollte zu ihrem Tisch gehen, blieb allerdings unschlüssig vor Lenno stehen und legte schließlich Bücher und Blätter neben sich in einem Regal ab. Nervös schaute sie erneut auf ihre Uhr und bemerkte, dass es für sie Zeit wurde, sich von ihm zu verabschieden, wenn sie es pünktlich zur Probe schaffen wollte. Immerhin musste sie vorher noch duschen und etwas essen.
Zwiegespalten verlagerte sie ihr Gewicht immer wieder von einem Bein auf das andere. Als sich ihre Blicke trafen, blieb sie abrupt stehen und gab spontan zu: „Ehrlich gesagt würde ich viel lieber hier bei dir bleiben, anstatt zur Probe zu fahren.“
Lenno lachte leise vor sich hin und betrachtete sie aufmerksam. Sofort spürte Olivia, wie ihr Gesicht zu glühen begann.
„Um an meinem Referat weiterzuarbeiten“, setzte sie schnell an ihren letzten Satz an und wich seinem Blick verlegen aus. Er wusste genau, was in ihr vorging!
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass er langsam auf sie zukam. Behutsam legte er seine Wange an ihre und fragte ruhig: „Das Singen ist dir wichtig, nicht wahr?“ Olivia wagte es kaum, sich zu bewegen, und er spürte ihr sachtes Nicken wahrscheinlich nur, weil sich ihre Gesichter immer noch berührten. „Dann sehen wir uns morgen und ich habe heute
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