Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
drin, als du glaubst. Ich hätte niemals gedacht, dass er dich findet.“ Während er sprach, beobachtete er sie aufmerksam.
Sie erstarrte innerlich, holte erschrocken Luft und krallte ihre Finger in seine Jacke. „Werde ich auch sterben?“, hauchte Olivia ihre Frage, wagte aber kaum, sie laut auszusprechen.
Lenno schüttelte langsam den Kopf und schluckte. „Nein. Bidziil will dich nicht töten“, antwortete er. „Er sucht nach jemandem.“ In Olivias Bauch begann wieder dieses leichte Zittern und breitete sich zaghaft aber unaufhaltsam aus. „Es scheint allerdings so, als habe er bisher nicht kapiert, dass du diejenige bist, die er finden muss.“
Sie ließ ihn los, rückte ein Stück von ihm ab und fragte fassungslos: „Wieso sollte Bidziil nach mir suchen?“
Lenno wollte sie auf keinen Fall aus seiner Umarmung freigeben, denn er ahnte offensichtlich, wie sie reagieren würde. Er hielt Olivia an den Ellenbogen fest, während seine Augen in ihrem Gesicht nach irgendeinem Grund suchten, ihr keine Antwort auf diese Frage geben zu müssen. Als ihm klar wurde, dass er keine andere Chance hatte, als ihr jetzt alles zu beichten, wurden seine Gesichtszüge weich und offenbarten erst recht seine innere Zerrissenheit. „Aus demselben Grund, aus dem ich dich gefunden habe“, antwortete Lenno vage.
Die Welt hörte plötzlich auf, sich zu drehen. Jedenfalls fühlte es sich für sie so an. Sie schrumpfte auf diesen einen Punkt im Universum zusammen, an dem Olivia sich gerade befand, und alles schien sich lediglich auf sie zu fokussieren, während sie selbst außen vor stand. Dieses Geständnis war wie eine Vollbremsung, die ihre Gedanken und Gefühle vollends ins Straucheln brachte.
Das Blut rauschte in ihren Ohren und sie wich unwillkürlich weiter zurück. Lenno versuchte, sie festzuhalten, doch sie wehrte sich energisch dagegen und schlug seine Hände weg.
„Du hast nach mir gesucht? Weshalb?“, wollte sie wissen, und ihre Furcht verlieh dem Unterton in ihrer Stimme eine düstere Farbe.
Augenblicklich fiel ihr das Gespräch nach dem ersten Überfall wieder ein, das sie mit Lenno in der Küche geführt hatte. Jetzt begriff sie endlich: Nichts war durch Zufall geschehen. Sie selbst war tatsächlich Lennos Ziel gewesen.
Ungläubig fuhr sie mit beiden Händen durch ihre Haare und schüttelte langsam den Kopf. Ein eisiger Schauer ließ sie für einen Moment erstarren.
Das durfte doch alles nicht wahr sein! Drehte sie jetzt völlig durch?
Obwohl Lenno nur eine Armlänge von ihr entfernt stand, hatte sie mit einem Mal das Gefühl, innerlich unendlich weit von ihm Abstand genommen zu haben. Wer war nur dieser Kerl, der vorgab, Lenno zu sein?
„Was wollt ihr von mir? Wer seid ihr?“, fragte sie verängstigt und wich einen weiteren Schritt vor ihm zurück. Etwas Hartes prallte von hinten gegen ihre Beine, sie drehte sich erschrocken um und schlug danach. Es war die Schaukel und Olivia fluchte leise, als sie es erkannte. Atemlos wendete sie sich wieder Lenno zu, griff nach der eiskalten Kette und hielt sich daran fest. Sie versuchte, sich durch bewusstes Ein- und Ausatmen zu beruhigen, doch gelingen wollte es ihr nicht wirklich.
Lenno ging instinktiv einen Schritt auf sie zu und machte eine Geste, als wolle er sie berühren. Olivia hob hingegen abwehrend ihre freie Hand und schrie hysterisch: „Fass mich nicht an!“ Völlig verunsichert brachte sie die Schaukel zwischen sich und ihn und krallte ihre Finger um die Ketten. „Bleib bloß, wo du bist!“ Warum war ihr Lenno plötzlich so fremd? Was war nur los mit ihnen? Irgendetwas lief hier gewaltig schief.
Mit einem leisen Klirren begann die nutzlose Barriere, die Olivia verzweifelt aufrechterhielt, zu erzittern. Beide schauten sie irritiert an, dann trafen sich ihre Blicke. Sie begriffen gleichzeitig, dass die Erschütterung der Schaukel nur ein Ausdruck dafür war, wie sehr Olivia sich vor ihm fürchtete.
Auch in Lennos Augen lag Angst und ein Schatten der Verunsicherung huschte über sein Gesicht. Offenbar wusste er selbst nicht, was er tun sollte. Mit einem Hauch Verzweiflung hob er seine Hände, um sie zu beschwichtigen, und sprach ruhig auf sie ein. „Bitte, Olivia, hör mir zu“, begann er vorsichtig.
„Ich will das aber nicht!“, unterbrach sie ihn verängstigt. Dabei fuchtelte sie wild mit ihren Händen herum und zeigte letztendlich auf den Zaun zu seinem Haus. „Geh und lass mich in Ruhe!“
Lenno verharrte in seiner Bewegung. Mit einem
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