Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
aus, die selbst Olivias Gefühle verschluckte. Oder war es die gesamte Welt, die an diesem Tag bereits zum zweiten Mal den Atem anhielt?
War es möglich, dass sie sich dieses Gespräch nur einbildete?
Vielleicht war sie vor dem Fernseher eingeschlafen und der Inhalt des laufenden Films floss in ihre Träume ein.
Oder stand sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch?
Es musste für das alles eine logische Erklärung geben.
Und wenn nicht? Wenn Lenno doch die Wahrheit sagte?
Schlagartig begann wieder dieses leichte Flattern in ihrem Bauch, das drohte, sich zu einem hysterischen Umsichschlagen auszuwachsen. Olivia hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Sie legte eine Hand an die Kehle und rang nach Luft. Dies wäre eindeutig der geeignete Zeitpunkt gewesen, ihr Versprechen zu brechen und doch schreiend wegzurennen.
Was sollte sie nur tun?
„Olivia, ich bin nicht dein Feind“, versicherte Lenno ihr in einer unendlich beruhigenden Art und Weise. „Ich will dir garantiert nichts antun. Ich wusste ja nicht, was auf mich zukommt, als ich mich darauf einließ. Dieser Kerl hat mir Bidziil auf den Hals gejagt und er droht etwas zu zerstören, das mir sehr viel bedeutet. Da habe ich nicht lange über die Folgen dieser Absprache nachgedacht.“
Ihre Atmung bekam Olivia zwar langsam wieder in den Griff, doch dies minderte ihre Fassungslosigkeit nicht im Geringsten.
„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Olivia“, sagte er bestürzt und hob seine Hand, um sie zu berühren. Im ersten Moment zuckte sie davor zurück. Verunsichert entfernte sich Lenno ein Stück von ihr und beide schauten sich schweigend an.
„Es ist vollkommen egal, welche Entscheidung ich treffe“, fuhr er verzweifelt fort. „Wenn ich mich an die Regeln halte, werde ich immer etwas Bedeutendes in meinem Leben verlieren, Olivia.“ Seine Hände ballten sich zu Fäusten zusammen und in seinem Blick lag diese Wut, die sie von ihrem ersten Abschied und der Diskussion um den Kuss kannte. „Aber ich werde mich dem nicht beugen. Niemals!“, presste er entschieden hervor, kam ihr wieder näher und umschloss erneut ihre Hände. „Und genau deshalb habe ich mich gegen meinen Auftrag aufgelehnt und suche jetzt nach einem Weg, diesem Mistkerl auf keinen Fall weiterhin unterlegen zu sein.“
Plötzlich strahlte Lenno etwas aus, das sie bereits im Zusammentreffen mit Bidziil beobachtet, aber durch die Umstände nicht wirklich realisiert hatte. Doch jetzt erinnerte sie sich wieder. Es war seine Bestimmtheit und seine innere Stärke, die man ihm sonst nicht anmerkte und die ihm eine gewisse Größe verlieh, die Olivia ziemlich beeindruckte.
Auch Lenno schien seine Wirkung auf sie nicht entgangen zu sein, denn sein Gesicht hellte sich von einem Augenblick auf den anderen auf, seine Züge wurden sanfter und er lächelte sie an. Als schließlich der goldene Schimmer in seinen Augen auftauchte, meldete sich dieser verborgene Anker in ihrem Herzen, mit dem ihr Lennos Worte ins Gedächtnis zurückgerufen wurden.
Olivia entschied, ihm zu vertrauen. „Ich glaube, du hattest recht, Lenno“, sagte sie mit fester Stimme. „Wenn du etwas weglässt, verstehe ich das alles nicht. Erzählst du mir die ganze Geschichte, ist es einfach zu viel. Ich bin total durcheinander und weiß gar nicht mehr, was ich denken soll.“
Lenno nickte verständnisvoll.
Vorsichtig führte er ihre Hände an seine Lippen, küsste sie sanft und schlug damit diese besondere Saite in ihr an, die nur für ihn zu schwingen schien. „Du kannst mir wirklich vertrauen, Olivia“, sagte er ruhig. „Wir finden einen Weg, um alles in Ordnung zu bringen.“ Er legte ihre Hände wieder auf ihre Knie und fuhr zärtlich mit seinen Fingerspitzen über ihre Haut. „Mein Volk hat viele Regeln aufgestellt, nach denen es lebt.“ Jetzt lachte er leise vor sich hin und atmete erleichtert auf, als Olivia ihre Hände unbewusst umdrehte, sodass er die feinen Linien in ihren Innenflächen nachzeichnen konnte. „Doch seit ich das erste Mal in meinem Leben von dir gehört habe, bin ich bereit, gegen jede Einzelne von ihnen zu verstoßen, nur um in deiner Nähe sein zu können.“
Olivia schwieg und beobachtete, wie er sie sanft berührte.
Als sie wieder zu ihm aufsah, blieb ihr Blick in seinen tiefdunklen Augen hängen.
„Lass mich dir meine Welt zeigen, dann verstehst du sie vielleicht besser“, flüsterte er verführerisch und sie nickte.
Im nächsten Moment versank sie in der Unendlichkeit
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